Zwei Jahre nach Kriegsbeginn in der Ukraine: Die militärische Lage ist schlecht, es fehlt an Soldaten – und an einer erkennbaren politischen Strategie. Text und Fotos: Daniela Prugger
Außensicht
Anderlans Sprechstunde: Frühstück beim Messias
Aus ff 10 vom Donnerstag, den 07. März 2024
Jürgen Wirth Anderlan ist ein Mann mit großen Eiern und noch größeren Träumen, die manchmal sogar in Erfüllung gehen. Er war bereits oberster Landesschütz (unehrenhaft entlassen), erfolgreicher Rapper (Grund für die Entlassung) sowie „Messias der Südtiroler NoVax-Bewegung“, wie er sich selbst bei Gericht nannte. Und tatsächlich, ein bisschen ist er wie Jesus: Beiden hat eine aufgehetzte Menge in einem schwachen Moment ein Kreuz gegeben.
Warum erhielt von allen Südtiroler Skilehrern ausgerechnet dieser bei der Landtagswahl 14.000 Stimmen? Die Antwort ist klar: Anderlans Wähler wollten einen Unangepassten, einen Kämpfer gegen Kompatscher, einen
Systemsprenger mit identitärem Support. „Wir sind die Einzigen, die in der Opposition sein wollen“, sagte Anderlan im November. Man wollte es ihm glauben.
Umso konsternierter war ich, als ich kürzlich ein Video der Tageszeitung sah. Darin trat ein neuer, zahmer JWA auf, mit einem Traum, der so gar nicht mehr nach Opposition klang: Jürgen hat jetzt eine morgendliche „Sprechstunde“, in der Menschen sich bei ihm über Busverbindungen und Landesbeiträge beklagen können – „wie beim Luis“. So steht es da. Statt um sechs Uhr morgens empfängt er zwar erst um halb acht, dafür bleibt er „bis um elf“ sitzen. Man hat ja sonst so wenig zu tun an einem bleckaten Werktag. Ein anderer Unterschied ist bedeutender: Der Luis hatte Macht und einen Sonderfonds. Der Jürgen hat drei Plakate und einen Vollbart. Versteckt er da drin 100-Euro-Scheine? Und wenn nein: Was sonst kann er seinen Bittstellern bieten?
JWA hat die Antwort: „Ich bin nicht der, der sagt, ich kenn mich nicht aus. Ich kontaktiere auch den Landesrat!“ Alfreider, Walcher, Pamer, alle würde er anrufen und die Anliegen seiner Besucher weiterleiten – die würden dann schon helfen. Apportieren statt Opponieren, das also war der Plan! Oft hörte man schon von Politikern, die als Tiger starteten und als Bettvorleger endeten. Anderlan macht es noch besser: Er startete als oberster Gegner der Landesregierung. Und endete als ihr Sekretär.
von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg
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