Die politische Mehrheit macht weiter wie in den vergangenen fünf Jahren. Auf der Strecke bleiben Land und Leute.
Außensicht
Süd-Tiroler Selbstverteidigung: Evas Kampf
Aus ff 12 vom Donnerstag, den 21. März 2024
Alt werden ist nichts für Weicheier. Klar, die Knie ächzen und der Kopf füllt sich mit stechenden Früher-war-alles-besser-Gefühlen – die schmerzhafteste Erfahrung aber ist eine andere: Man hat plötzlich so viel Zeit! Es gibt Menschen, die deshalb selbst im hohen Alter noch Studenten die Hörsaalplätze wegnehmen, oder sich mit guten Ratschlägen an den Küchentischen ihrer Schwiegerkinder festkleben.
Eva Klotz, die Polit-Rentnerin, reicht im Ruhestand lieber fremden Kulturen die Hand, oder genauer gesagt: die Fäuste. Bei einem Selbstverteidigungskurs in Bozen, so liest man von der Süd-Tiroler Freiheit, habe Klotz die japanische Kampfkunst „Hakko Ryu Ju-Jutsu“ gelernt. Hakko-was? „Eine Friedenskampfkunst, bei der es um reine Selbstverteidigung geht“, erklärt die Partei, als wolle sie schon vorab beruhigen: Keine Sorge, wir klatschen nur die bösen Buben!
30 Teilnehmerinnen durften zusammen mit Klotz und anderen STF-Abgeordneten das Kämpfen lernen, und wenn es nach der Süd-Tiroler Freiheit geht, sollen es künftig noch viel mehr sein: eine „Pflichtausbildung“, fordert die Partei, „bereits an den Grundschulen“! 南チロルは日本! Schön, dass ausgerechnet jene Leute, die einst jede italienische Bio-Stunde mit der Katharina-Lanze abwehrten, unseren Sechsjährigen nun mit Japanisch kommen – aber eine Frage hätte ich doch: Gegen wen soll diese „Friedenskampfkunst“ eigentlich eingesetzt werden?
Die Süd-Tiroler Freiheit klärt auf: Es hätten „Verhaltensweisen in unserem Land Einzug gehalten, die laufend mit unseren traditionellen, friedlichen, christlichen Werten kollidieren“. Die meisten Übeltäter blieben auch noch „(bewusst) im Dunkeln“, weil „offizielle Medien“ sie verschwiegen. Ach ja, da ist sie wieder, die Knollisierung der Klotz-Partei, keine Pressemitteilung ohne Migrationspanik – Selbstverteidigung schlägt Selbstbestimmung, im wahrsten Sinn des Wortes. Mich erstaunt dieser neue Freiheitskampf vor allem in der Rückschau: Wenn selbst eine Eva Klotz erst mit 72 Jahren die Fäuste hebt, können die Walschen wohl so schlimm nicht gewesen sein.
von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg
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