Südtirols Bauern produzieren vor allem Äpfel und Wein – für den Export und den Tourismus. Was wir essen, wird importiert.
Außensicht
Warum wollen die Leute weg? Aufbruchstimmung
Aus ff 17 vom Mittwoch, den 24. April 2024
Jede*r sechste Arbeitnehmer*in spielt mit dem Gedanken, aus unserer Provinz abzuwandern, berichtete das Afi (Arbeitsförderungsinstitut) letzte Woche. Und das nicht etwa nur wegen dem Mangel an leistbarem Wohnraum, attraktiven Arbeitsstellen oder sinnvollen Kinderbetreuungsangeboten. Nein, Grund Nummer eins für die Sehnsucht nach der großen weiten Welt (oder danach, was wir dafür halten) ist der „Wunsch nach einem Wechsel des kulturellen Umfelds“.
Nein, liebe xenophobe Modepolitiker, die meinen nicht das, was ihr vermutet. Die Südtiroler wünschen sich nicht aus irgendeiner abstrusen Angst vor Bandenkriegen messerstechender schwarzer Männer von hier fort. Denen ist Südtirol ganz einfach zu fad. Der Horizont: eng. Die Gesellschaft: verschlossen. Die Möglichkeiten für kreative Entfaltung, Bildung und Freizeitgestaltung: dünn gesät – oder unerschwinglich. (Und wer weiß, der eine oder die andere sehnt sich bestimmt auch danach, mal irgendwo selbst Tourist zu sein und alles in den Allerwertesten geschoben zu bekommen, was unseren Gästen hier Tolles geboten wird.)
Wer wochentags in einer beliebigen Ortschaft des Landes gegen zehn Uhr abends noch etwas trinken gehen möchte und auf leer gefegten Straßen den letzten tapferen Barbetreibern beim Schließen ihrer ebenso leeren Läden zusieht (einige Dorfbars sind dabei gastfreundlicher als die Möchtegern-Hipster-Etablissements in den Städten), denkt wehmütig an die Südtiroler Auswanderer, die gerade Berlin, New York oder Tokio unsicher machen.
Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Die meisten Auswanderer, die ich kenne, sind schon wieder am Heimkehren. Man wird ja nicht jünger. Und da hat man es gerne beschaulicher. Sicherer. Gemütlicher. Tatsache ist aber auch, dass selbst diejenigen, die im Ausland in prekärsten Verhältnissen leben, sich den Kneipenabend, das Konzert oder die Vernissage lieber vom Mund absparen, als sich hierzulande mit den kläglichen Krümeln vom großen Kulturkuchen abspeisen oder in Stammtischgespräche über die vermeintliche Islamisierung Südtirols verwickeln zu lassen.
von Bettina Conci | Schreibt Kolumnen, Kurzgeschichten, Kindgerechtes und Kontroverses
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