Außensicht

Suche nach dem Weniger: Verzettelt?

Aus ff 19 vom Donnerstag, den 09. Mai 2024

In seinem Lied „Zettel“ besang Sepp Messner Windschnur in den Achtzigern die Tücken der Bürokratie und die Gefahr, im ganz normalen Alltag den Überblick zu verlieren zwischen all den Aufgaben, Pflichten und Terminen, die er mit sich bringt. 40 Jahre später riskiert man nicht mehr nur, sich wortwörtlich zu ver-zetteln, nein: Zu Anmeldeformularen, Postbescheiden, Multe und Listen kommt noch der ganze virtuelle Kram: Soziale Medien, Apps, Whatsapp-Gruppen, mediale Dauerberieselung und natürlich die tägliche Morgenroutine zur Selbstoptimierung erfordern mehr Zeit und Aufmerksamkeit, als der Durchschnittsmensch aufbringen kann. Da ist guter Rat teuer.

Google-Coach und Bestseller-Autor Greg McKeown versucht in seinem Buch mit dem Titel „Essentialismus: Die konsequente Suche nach Weniger“ Menschen zu helfen, sich aus dem Würgegriff (all)täglicher Belanglosigkeiten und konstanter Überforderung zu befreien und Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Prioritäten zu setzen. Wobei auch diese Formulierung widersprüchlich ist. „Priorität“ sollte per definitionem eine einzige Sache sein. Der Plural „Prioritäten“ kam im Deutschen erst seit 1950 auf und ist auch wieder bezeichnend für einen hektischen Zeitgeist, der sich bis heute nicht nur gehalten, sondern fast schon verselbstständigt hat.

Der Trend geht nun aber neuerdings weg vom Multitasking, hin zur Entschleunigung. Wir lernen ja dazu und wissen: Wir sollten uns diesem Essentialismus annähern. Am besten gelingt das, indem wir uns fragen, was die eigene größte Stärke ist, und diese dann ausleben – inmitten ganzer Horden von selbsternannten Fachleuten und immer neuen medialen Phänomenen gar nicht mal so einfach.

Unsere Politiker arbeiten noch daran. Aber fangen wir klein an. Es muss ja nicht gleich die ultimative Superstrategie her. Wie wäre es, statt Dutzender Themen unterschiedlicher Wichtigkeit einfach mal eine Priorität zu setzen?

von Bettina Conci | Schreibt Kolumnen, Kurzgeschichten, Kindgerechtes und Kontroverses