Außensicht

Rechtsdrehend: Die Verzichtsautonomie

Aus ff 29 vom Donnerstag, den 18. Juli 2024

Es war heuer im Winter, da hat mich der Landeshauptmann, meine Unbelehrbarkeit beklagend, gefragt, ob ich denn nicht kapiere, dass die Linke versagt habe und die Welt nach rechts drehe. Er hatte damit seine Koalition mit Lega und Fratelli d’Italia gerechtfertigt. Er selber sei natürlich nicht rechts, aber Rechts regiere Italien nun halt einmal, so hat er argumentiert, und diese Rechte habe ihm den Ausbau der Südtirol-Autonomie zugesagt.

Deshalb Frage des Unbelehrbaren: Was für eine Autonomie? Muss Südtirol, um seine Autonomie abgesichert zu bekommen, wählen wie der Staat? Ist nicht eigentlich die freie Wahl das höchste Gut jeder Autonomie?

Wir haben inzwischen alle Chancen eines möglichen Autonomieverzichts durchgewählt. Angefangen bei der Regierungsbildung Melonis im Herbst 2022 mit der mehr als nur wohlwollenden Stimmenthaltung der SVP-Parlamentarier. Gegenleistung Melonis damals: ein Wörtchen in ihrer Regierungserklärung. Zweite Autonomieverzichts-Wahl: Bildung der neuen Landesregierung im Dezember 2023. Koalition der SVP mit Fratelli d’Italia und Lega, um das gute Einvernehmen mit der Meloni-Regierung nicht zu gefährden. Dritte Autonomieverzichts-Wahl: Im Frühjahr 2024 Abkommen mit Forza Italia, um Herbert Dorfmann noch mal ins EU-Parlament zu bringen. Schließlich Autonomieverzichts-Wahl Nummer vier, diesen Sommer: der Verrat von Leifers. SVP-Wahlgewinner Giovanni Seppi lässt sich von Mittelinks-Parteien zum Bürgermeister wählen, erklärt daraufhin nicht nur links und rechts für abgeschafft, sondern selbst Deutsch und Italienisch für überholt, und schließt die Koalition mit Rechts. Seppis Rechtfertigung: das hilfreiche „gute Einvernehmen mit der Landesregierung“. Autonomieverzicht auf Südtirolerisch somit durch alle autonomen Instanzen: von der EU über den Staat, das Land bis zur Gemeinde. Und allemal zum Zwecke der Autonomie.

Und weil halt die Welt „nach rechts dreht“, tröstete mich bedauernd der Landeshauptmann im Winter. Inzwischen ist Sommer, England und Frankreich haben nach links gedreht. Wir müssen wieder einmal reden mit’nander.

von Florian Kronbichler | Journalist, ehemaliger Chefredakteur der ff

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