Außensicht

Wegwerfen oder behalten? Der Zauber kaputter Dinge

Aus ff 37 vom Donnerstag, den 12. September 2024

Manche Menschen investieren viel Geld in smarte Haushaltsgeräte, die mit dem Internet sprechen – ich hingegen halte tapfer an einem Wäscheständer fest, der aussieht, als hätte er einen Boxkampf gegen Mike Tyson verloren. Zwei Streben hängen durch, als wollten sie gleich das Handtuch werfen, und das ganze Ding steht schief wie ein betrunkener Flamingo.

Aber was soll’s – solange er sich noch irgendwie auf den Beinen hält und mir hilft, meine Wäscheberge zu trocknen, bleibt er bei mir. Denn er gehört zu den vielen Dingen in (m)einem Haushalt, die nicht mehr ganz funktionieren, aber auch nicht wirklich kaputt sind. Leicht angeschlagen, aber doch zu schade für den Müll.

Warum hänge ich so an diesen maroden Teilen? Ein bisschen ist es Trotz. Schließlich will ich mich nicht dem Konsumdruck beugen, der mir vorgaukelt, alles müsse beim ersten Schwächeanfall sofort ersetzt werden. Ein bisschen Geiz ist auch dabei. Solange mein Wäscheständer nicht endgültig in die Knie geht, ist mein Geld woanders besser aufgehoben.

Aber der Hauptgrund ist wohl etwas viel Banaleres: Bequemlichkeit. Böse Zungen würden sagen: Faulheit. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an Unzulänglichkeiten gewöhnt. Schwere Handtücher hier aufhängen und Unterwäsche dort, damit nichts aus dem Gleichgewicht gerät? Kein Problem, nirgendwo sonst in meinem Leben habe ich so viel Ordnung wie beim Wäscheaufhängen. Und so muss ich weder diesen alten entsorgen, noch den perfekten neuen Wäscheständer finden, kaufen und den anderen wackeligen Dingen in meinem Haushalt vorstellen.

Also bleibt er, mein treuer Begleiter, der sich mit mir tapfer jeder Wäscheladung stellt. Hoffentlich hat er noch ein paar Jahre vor sich. Wer weiß: Vielleicht versuche ich ihn ja eines Tages mit Draht und Klebeband zu reparieren, und mein Wäscheständer wird so auch noch zum DIY-Do it-yourself-Projekt. Denn manchmal ist es genau der Zauber dieser kaputten Dinge, der uns daran erinnert, dass nicht alles perfekt sein muss, um seinen Zweck zu erfüllen.

von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin beim Südtirol Journal und freie Journalistin

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