Außensicht

Thomas Widmann in der Opposition: Macher ohne Macht

Aus ff 38 vom Donnerstag, den 19. September 2024

Ich liebe den Herbst, er macht mich so nostalgisch. Immer, wenn er sich ankündigt, wenn die Blätter gelb werden und die Schlachtplatten rot, greife ich zu alten Pressemitteilungen und lese bei gemütlichem Kerzenlicht Politik-Artikel des Vorjahres. Da ist zum Beispiel dieser Bericht vom Juni 2023, er handelt von Thomas Widmann und seiner damals frisch erblühten Solo-Landtagskandidatur. Er zünde „den Turbo“, heißt es darin, mit einem „kleinen Edelweiß“ werde er „zwei oder drei“ Mandate erringen und dann eine Fraktion mit der SVP bilden, „nach dem CDU/CSU-Muster“. Nur ein paar abgehörte Sad-Telefonate – und schon hatte Südtirol seinen Markus Söder!

Das war die Hoffnung, die Gegenwart sieht so aus: Widmann führt keine CSU, kein Edelweiß, dafür eine Fraktion, die klingt wie eine Krankheit: FSMW (Für Südtirol mit Widmann), ist kein SVP-Partner und hat auch keine drei Abgeordneten. Widmann managt nur sich selbst – das ist schwer genug, daran sind viele gescheitert. Ob es seine „Partei“ noch gibt? Unklar, der letzte Instagram-Furz war ein Video „vor 47 Wochen“. Auf Facebook sprach zuletzt im Oktober 2023 Kandidat Dr. Gänsbacher, der nach der Nicht-Wahl ebenso abtauchte wie die anderen WIRs hinter dem großen ICH. Nur Tommy durfte rein. Allein.

Wie es ihm da wohl geht, angeschnallt auf der Hinterbank? Lang habe ich nichts von ihm gehört, da sah ich kürzlich ein Video, in dem er der Landesregierung ein „Semesterzeugnis“ ausstellte – und sich selbst in herbstliche Nostalgie flüchtete: In nur fünf Minuten lobte er dreimal Luis Durnwalder und seine eigene, elf Jahre zurückliegende Zeit als Mobilitätslandesrat. Dann klagte er, dass er in seiner neuen Position nur „beobachten“ könne, seine Vorschläge würden abgelehnt, dabei sei er doch „bekannt als Macher“.

Als Macher versucht er zum Beispiel noch immer erfolglos, die SVP zu kliaben, schlägt jetzt Peter Brunner als neuen Landeshauptmann vor – unklar, ob die Volkspartei das Tommyhawk überhaupt bemerkt hat. Ich wurde plötzlich sehr traurig, das machen machtlose Macher immer mit mir. Jahrelang keilen und sägen sie an Stühlen und haben am Ende nichts in der Hand außer einen Schiefer.

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg