Außensicht

Bluttat in Innichen: Mit dem Tod

Aus ff 39 vom Donnerstag, den 26. September 2024

Im ersten Fall war ich traurig, aber hatte Verständnis. Im zweiten Falle beides nicht. War enttäuscht. Vor einem Monat ereignete sich das Drama von Innichen mit drei Toten. Ewald Kühebacher hatte seinen alten Vater Hermann und die Nachbarin Wally Jud erschossen. Es gab das erwartete, zweifelsfrei verdiente große, größer nicht vorstellbare Begräbnis für Frau Jud. Die beiden Kühebacher? Tage später gab es einen Verabschiedungs-Wortgottesdienst in der Franziskanerkirche, unangekündigt, aber unter guter Beteiligung. Zu einem Requiem reichte es nicht. Die Leichen würden eingeäschert, war die einzige Verlautbarung. Der Ort blieb geheim.

Die Woche drauf, im Katholischen Sonntagsblatt in der Rubrik „Abschied nehmen“, steht unter Innichen: „Waltraud Jud verh. Hofmann (50)“. Und Hermann und Ewald Kühebacher? Gab’s nicht. Sind nicht gestorben. Das Sonntagsblatt ist kein Amtsblatt. Es bringt in seiner beliebten Totenliste in der Regel jene deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler Verstorbenen, die ihm bekannt sind oder zugetragen werden. Es ist nicht anzunehmen, dass der Kirchenzeitung die beiden gleichzeitigen Todesfälle von Innichen verborgen geblieben sind.

Geschah die Unterschlagung aus Pietät? Dann war es erbärmliche Pietät. Mich ließ der Fall von Innichen (ich sage bewusst Fall) an das Exempel denken, das vor bald
50 Jahren der seinerzeitige Oberbürgermeister von Stuttgart, der Christdemokrat Manfred Rommel, Sohn des legendären „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel, statuiert hat: Es war 1977, „der deutsche Herbst“, die Schleyer-Entführung und -Ermordung. Die RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe begehen Selbstmord im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim. Ganz Deutschland hätte die Leichname zerrissen, wäre es ihrer habhaft geworden. ­

Oberbürgermeister Rommel ließ sich vom Mob nicht einschüchtern und setzte für die drei Terroristen ein ordentliches Begräbnis im Stadtfriedhof durch. „Mit dem Tod hört die Feindschaft auf“, sagte er.

von Florian Kronbichler | Journalist, ehemaliger Chefredakateur der ff

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