Außensicht

Zeitungsabos: Toxische Trennung

Aus ff 42 vom Donnerstag, den 17. Oktober 2024

Wann immer Menschen mich fragen, was sie tun können gegen das Elend der Zeit, die politische Verwahrlosung und die Krise im Allgemeinen, sage ich einen einfachen Satz: Zahlen Sie für Journalismus. Wir Tintenstrolche sind nicht perfekt, oft sogar das Gegenteil. Aber in einer Welt voller PR-Profis, Coaches und Facebook-Intellektuellen geben wir uns zumindest Mühe, Sie nicht zu foppen. Das ist schon viel wert: Lügen gibt’s gratis, Recherchen kosten. Mein Rat gilt auch für mich: Wo ich früher mit Anlauf über Paywalls hüpfte, mir Texte „schicken“ (vulgo: klauen) ließ, besitze ich heute ein halbes Dutzend Abos und schließe auch für (be)dürftige Blätter zumindest Probewochen ab. Jeder verdient eine Chance, auch Stol.it.

Vor einigen Wochen bestellte ich also ein Abo, das ging mit wenigen Klicks, man hieß mich mit offenen Armen willkommen. Das Problem begann, als ich wieder Schluss machen wollte. Ich klickte auf „Abonnement beenden“, doch das beendete nichts, es führte mich auf eine Seite, auf der ich nach Gründen gefragt wurde. War es zu teuer, hatte ich technische Probleme? Lag es an dir oder an mir? Nein, nein, nein, ich wollte einfach nur raus aus dieser Affäre.

„Ich nutze Stol zu wenig“, sagte ich und bekam den Tipp, Stol.it einfach öfter zu nutzen. Nächster Klick, ein Kommentarfeld für Wünsche und Anregungen. Auf Seite vier sollte ich zustimmen, alle meine „Vorzüge“ aufzugeben – dabei habe ich doch so wenige. „Ja, Vorteile verlieren“ klickte ich, doch Stol.it war noch immer nicht zufrieden, auf Seite fünf hielt man mir vor, möglicherweise ein Roboter zu sein: Ich sah eine Reihe von neun Klapperstörchen, sollte unterscheiden in fliegende und nistende Exemplare. Seite sechs war eine Fehlermeldung.

Ich war nie in einer toxischen Beziehung, aber in etwa so stelle ich mir den Versuch vor, sie zu verlassen. Vier Versuche und 24 Unterseiten später war ich befreit und landete auf meinem grauen Profil. Ich möge es doch gleich ausfüllen, sagte Stol freundlich, um „Leserreporter“ zu werden. Ich nickte anerkennend, Toni Ebner hatte mich gefoppt. Eben noch war ich sein Leser. Nun war ich sein Angestellter.

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg

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