was Politikerinnen und Politiker sagen und tun, wird in der Öffentlichkeit genau verfolgt, sie werden beobachtet auf Schritt und Tritt. Was sich ...
Außensicht
Bruderstreit: Der Krah und der Stier
Es waren einmal zwei Brüder, die über das Dorf am Fuße der Dolomiten regierten. Einer der Brüder war ein Krah, schwarz wie die Nacht und stolz auf seine scharfe Stimme. Vom höchsten Ast aus hatte er das Dorf fest in seiner Klaue. Alles sah er, seine Meinung war Gesetz. Die Tiere im Dorf hörten auf ihn. Manche aus Respekt, viele aus Angst, und der Rest von ihnen, weil sie keine Wahl hatten.
Sein Bruder hatte das Sagen am Boden. Groß, kraftstrotzend, seine Hörner blitzten wie eine frisch polierte Bilanz. Allein sein mächtiges Schnauben war Warnung genug. Die Tiere wussten, nur wer sich ihm fügte, durfte mitfressen, alle anderen blieben hungrig. Den beiden Mächtigen zu widersprechen, wagte kaum einer. Wer es trotzdem versuchte, wurde schnell zurechtgestutzt – mit einem krächzenden Donnerwetter oder einem wuchtigen Huftritt.
So lebte das Dorf brav zwischen Krähengekrächz und Stiergetrampel, bis eines Tages das Unausweichliche kam: Die Nachfolge musste geregelt werden. Der Krah hatte seine flatternden Jungen, die zwar lautstark ihre Ansprüche anmeldeten, aber mit dem Fliegen noch ihre liebe Not hatten. Dem Stier hingegen folgte eine Jungbullin nach und ein Jungbulle, der kalt und so entschlossen war, dass selbst die Erde bebte, wenn er seine Hufe aufsetzte.
Der Kampf fand im Verborgenen statt. Bei Nacht, unter der schmalen Sichel des Mondes, trafen sich Krah und Stier. Was dort zwischen Schnabel und Hörnern ausgekämpft wurde, bleibt ein Geheimnis. Doch als die Sonne den Boden berührte, war klar: Der Stier hatte gewonnen. Die Jungen des Krah flogen in alle Winde, während der Jungbulle die Weide übernahm – mit mehr Ehrgeiz als sein Vater.
Noch heute erzählen die Tiere die Geschichte vom großen Bruderstreit. Sie sagen, der Krah sei in ferne Wälder geflogen, wo er seine scharfen Lieder singt, während der Stier und sein Erbe die Weiden regieren. Doch sie flüstern auch, dass der Krah eines Nachts zurückkehren könnte und der Stier sich niemals sicher sein sollte. So lehrt die Geschichte: Selbst die Mächtigsten müssen immer auf der Hut sein – denn in jedem Märchen gibt es einen neuen Anfang, und manchmal auch ein überraschendes Ende.
von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin
beim Südtirol Journal und freie Journalistin
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