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Außensicht
Wortwolken: Zeitenwende. Welche?
Aus ff 12 vom Donnerstag, den 20. März 2025
Als vor einigen Jahren Eugen Runggaldier zum Generalvikar der Diözese ernannt wurde, hieß unser Kirchenhistoriker Gelmi das eine „kopernikanische Wende“. Gemeint: weil Ladiner. Nie da gewesen, so was. Kopernikus mag über die bauzan-brixinensische Vereinnahmung mild hinwegsehen. Wir sind freizügig geworden im Missbrauch großer Worte. Zum Verständnis, es gilt: je dicker die Wortwolke, desto dünner, was drin ist.
Momentan ist alles „Zeitenwende“. Es war der sonst so schmallippige deutsche Bundeskanzler Scholz, der es zu Anfang des Ukraine-Krieges von der Kette seines Diplomatendeutsch‘ ließ. Seither kommt kein Raiffeisen-Obmann mehr ohne die Floskel aus. Eine Zeitlang wollte man noch glauben, es bedeute das, was es heißt: nämlich, dass alles anders wird. Bald wurde das Wort zum Schlagwort, jeder Depp vergriff sich dran, bis schließlich jede frisch verzapfte Schnapsidee eine „Zeitenwende“ war, und somit zum Vergessen. Anständige Menschen meiden dieses Treibhauswort inzwischen. Sie haben kapiert, die ehemals erfundene „Zeitenwende“ war von Anfang an ein Schwindel.
Denn einen Schmarrn haben die Zeiten sich gewendet. Und das ist das eigentliche Elend. Oder getraut sich jemand mit dem Wissen von heute zu behaupten, die unter dem Decknamen „Zeitenwende!“ befeuerte Aufrüstung Europas sei eine Wende, historisch gesehen? Wer das glaubt, kennt nicht die Geschichte. Die Realität ist das bekannte, miserable Weiter-So! Das alte Aug-um-Aug, Zahn-um-Zahn. Bezeichnend deshalb, dass grad die Joschka Fischers, Bärbocks und Konsorten, Kriegsdienstverweigerer von ehedem, heute zu Kriegstüchtigkeit aufrufen. Ach, diese Renegaten! Sie sind Leute, die irgendwann erkennen, aufs falsche Pferd gesetzt zu haben, sie satteln um, setzen sich an die Spitze ihrer ehemaligen Gegner und wollen weiterhin Recht haben. Das „Mut zur weißen Flagge!“ von Papst Franziskus zu Beginn des Krieges, das wär Zeitenwende gewesen. Was wir seither sehen, sind drei Jahre Krieg und weiter so.
von Florian Kronbichler | Journalist, ehemaliger Chefredakteur der ff
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