Außensicht

Autonomiereform: Die Verwandlung

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 17. April 2025

Als wir noch Buben waren, bummelwitzige, schickte uns der Vater zur Osterbeichte. Die dafür notwendigen Sünden waren bald erfunden. Heute – ich muss sehr österlich gestimmt sein – beichte ich politisch: Ich habe unsern Landeshauptmann vermutlich unterschätzt. Vor bald anderthalb Jahren bin ich noch gegen ihn demonstrierend vors Landhaus gezogen. Die Koalition mit den Rechten und Faschisten machte er trotzdem, und ich entzog ihm den Rest meiner Gewogenheit. Mit Geringschätzung, wenn nicht gar Schadenfreude, verfolgte ich seither sein stures Festhalten an einer Autonomiereform, auf die außer ihm kaum mehr jemand einen Pfennig gab.

Ich hätt’s nicht für möglich gehalten: Der Berg hat eine Maus geboren. Keine Ahnung, was genau in dem ausgehandelten Text drinsteht. Es hat ihn ja niemand zu lesen bekommen, aber garantiert ist es eine Maus. Der Landeshauptmann hat schon, ohne ihn gesehen zu haben, erklärt, es sei „ein sehr guter Text“. Alessandro Urzì, sein rechter Schächer, sagt auch: „ein sehr guter“. Niemand muss ihn lesen, es reicht, wenn sich jemand das Foto von letzter Woche ansieht: Die vereinigte italienische Rechte, Frau Biancofiore inmitten, feiert sich mit Landeshauptmann Kompatscher. Wie Heimkehrer aus gemeinsam geschlagener Schlacht.

Das Gruppenbild mit Dame hat für einen Haufen Spott gesorgt und war Miesmachern (wie mir) Bestätigung: Südtirol in schlechter Gesellschaft. Inzwischen – ist es der Geist von Ostern? – sehe ich es hoffnungsvoll. Was immer drin sein mag, in dem „Text“, garantiert eine Maus, es kommt nicht drauf an. Was zählt, ist die Gesellschaft, die Kompatscher dafür gewonnen hat. Hat er sie bekehrt oder verführt? Egal. Südtirol wird eine Autonomie ohne Gegner haben. 50 Jahre lang „gehörte“ sie ideell der Linken. Nun bekennt sich die nationale Rechte geschlossen dazu. In Bozen wie in Rom. Aus Altoatesinen hat der Landeshauptmann Südtiroler gemacht. Unsere Autonomie ist fortan plebiszitär. Wer wollte solches nicht epochal nennen! Ich bekenne, …

von Florian Kronbichler | Journalist, ehemaliger Chefredakteur der ff

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