Außensicht

Tauschen statt wegwerfen: Der gelbe Sack

Aus ff 22 vom Donnerstag, den 29. Mai 2025

Er war klobig, knisterte laut und roch streng – aber er gehörte dazu: der gelbe Caritas-Sack. In meiner Kindheit hieß es einmal im Jahr: „Geh schauen, was du nicht mehr brauchst – für die Caritas!“ Und dann wurde sortiert: zu rosa, zu peinlich, zu klein – alles rein in den Sack, ordentlich gefaltet und stolz ins Dorf getragen, wo sich schon gelbe Plastikhügel türmten.

Es war die erste gute Tat, an die ich mich richtig erinnern kann – lange vor dem ersten Fastenopfer, das man brav in die Kirche getragen hat. Ein gutes Gefühl, wenn es dann hieß: Auch heuer wurden x-Tausend Tonnen Kleidung gesammelt – und ich war dabei!

Jetzt ist nach 51 Jahren Schluss, die Caritas zieht sich aus der Kleidersammlung zurück, und damit verschwindet diese gelbe Kindheitserinnerung. Der Markt ist kaputt, die Kleidung wertlos, die Entsorgung teuer. Und das, obwohl eine neue EU-Verordnung verbietet, kaputte T-Shirts einfach in den Restmüll zu pfeffern.

Was früher Mangel war, ist heute Massenware – und landet meist in Afrika, wo’s verbrannt werden muss, weil man nichts mehr damit anfangen kann. Und wir shoppen fröhlich weiter: Dank Fast Fashion und Billig-Boom kauft man fünf Shirts, trägt zwei, schmeißt drei weg – und wundert sich, warum der Schrank trotzdem überquillt. Die letzten Kleider-Container, die es noch gibt? Eher Mahnmal als Sammelstelle: aufgebrochen, durchwühlt, die Kleidung am Boden vom Regen durchnässt. Und drinnen? Viel Polyester, wenig Potenzial.

Schade um den gelben Sack. Schade um das Ritual. Und schade um dieses selten gewordene Gefühl, mit einer einfachen Geste etwas Gutes zu tun. Heute bleibt vor allem die Frage: wohin mit dem ganzen Zeug?

In meiner Verwandtschaft haben wir dafür eine simple und doch geniale Lösung gefunden: einen Wandersack. Ein paar von uns haben ungefähr dieselbe Größe – und lassen einen Sack wandern. Jede Kusine wirft rein, was sie nicht mehr anzieht, und nimmt sich raus, was ihr gefällt. Ist wie einkaufen, nur besser. Und irgendwie bleibt man dabei doch dem Prinzip treu – auch wenn der Sack nicht gelb ist.

von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin und Journalistin

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