Rosmarie Pamer hat ein Gesetz zum Umgang mit sexualisierter Gewalt vorgelegt, in Kraft tritt es aber noch nicht. Und der Diözese liegen derweil 20 neue Missbrauchsmeldungen vor.
Außensicht
Berichterstattung: Die Macht der Macheten
Die Szene war beängstigend: Da laufen Jugendliche nachts mitten durch die Bozner Altstadt und jagen einander mit Macheten. Passanten sind schockiert, filmen das Ganze, am nächsten Tag landet der Vorfall in den Medien und sorgt für Aufruhr: So schlimm ist es also bestellt um die Sicherheit in der Landeshauptstadt! Auch ich frage mich: Habe ich die Lage unterschätzt, kleingeredet?
Allein, bereits am Tag darauf vermeldet der Quästor, die vermeintlichen Macheten seien in Wirklichkeit Attrappen gewesen; stumpfe Nachbildungen, die im Kampfsport verwendet werden. Das ändert nichts für die Augenzeugen, die sich in jenem Moment verständlicherweise in höchster Gefahr glaubten („Entschuldigung, sind die echt?“, fragt man in so einem Augenblick ja eher nicht), es ändert aber alles für die Berichterstattung über das nach wie vor zu verurteilende Geschehen.
Trotzdem zeigten sich einige Medien widerwillig, den Vorfall vom Gewalt-Schocker zum ärgerlichen Aufreger herabzustufen. Weiterhin war die Rede von „Macheten-Tätern“ und der „Macheten-Schlacht“, das Online-Portal
Stol.it titelte „Nicht nur Macheten waren im Spiel“ und erinnerte sich erst im dritten Absatz dran zu erwähnen, dass es „Repliken“ waren. Gar nicht zu reden davon, wie Politiker am rechten Rand den Vorfall hochkochten und das für ihre Zwecke der Panikmache doch recht hinderliche Detail der Attrappen bequem unter den Tisch fallen ließen.
Ganz klar: Die Sexiness des Küchenzurufs, also der Kernbotschaft, die sich Journalisten vergegenwärtigen, indem man sich vorstellt, wie Vati der Mutti die Neuigkeit in die Küche zuruft, leidet durch die Präzisierung erheblich: „In Bozen rennen sie mit den Macheten durch die Altstadt!“ wird zu „In Bozen rennen sie mit machetenähnlichen Attrappen durch die Altstadt!“. Beim ersten Ruf fällt Mutti die Kinnlade runter, beim zweiten schüttelt sie nur missbilligend den Kopf. Gerade in solchen Fällen sollten sich Medien aber darauf besinnen, was ihre Aufgabe ist: Klicks generieren, eine Stimmung erzeugen, oder doch aufklären, sagen, was ist – auch wenn es bedeutet, einer aufsehenerregenden Nachricht den Dampf abzulassen.
von Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin
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