Alexander Langer, Vater der Grünen, Landtagsabgeordneter, Gegenspieler von Silvius Magnago, hat sich vor 30 Jahren das Leben genommen. Was er hinterlassen hat, erzählt sein Weggefährte Goffredo Fofi.
Außensicht
Eine „Freundin“ auf Instagram: Nah dran – und doch daneben
Meine Freundin hat vor Kurzem ein Baby bekommen und sich nur wenige Wochen vorher von ihrem Freund getrennt. Das war hart. Sie hat gelitten, sich unsicher gefühlt, ängstlich, allein. Und ich habe mitgefühlt. Mit Kloß im Hals und allem Drum und Dran.
Wobei – „meine Freundin“ ist zu viel gesagt. Eine Bekannte. Oder besser: eine Frau, der ich auf Instagram folge. Wir haben uns noch nie gesehen. Aber ich kenne ihr Lieblingsessen, das Ultraschallbild, die Playlist zur Geburt und die ersten drei Wochen Stillprobleme. Weil sie alles teilt. In Storys, Reels, einem Video spätabends aus dem Bett, in dem sie von ihren Sorgen erzählt. Es fühlt sich fast an, als würde ich mit einer Freundin telefonieren. Nah dran, ungefiltert. Sie sagt, sie will ehrlich sein, verletzlich, echt. Und das ist sie auch. So sehr, dass ich das Baby fast persönlich kenne. Und gleichzeitig weiß ich: Das ist nicht echt – oder nur zum Teil. Ein Fragment, Gefühle im Quadratformat.
Trotzdem fühle ich mit. Wie Tausende andere. Wir kommentieren mit Herz-Emojis, trösten mit digitalen Umarmungen, sind gerührt und betroffen und klicken auf „Folgen“, weil wir glauben, dass das hilft.
Aber hilft es wirklich? Oder stehen wir da wie bei einem Verkehrsunfall – betroffen, aber auch ein bisschen neugierig? Weil man nicht wegschauen kann. Wenn man jemandem so nahekommt, ohne je ein Wort gewechselt zu haben, wird’s irgendwann schräg. Es kann ja auch sein, dass wir uns plötzlich im Supermarkt gegenüberstehen und ich denke: Ach, da ist sie ja. Mit dem Baby, das ich seit dem positiven Test kenne. Aber sie hat keine Ahnung, wer ich bin. Das Baby sowieso nicht.
Vielleicht ist das die Schieflage: dass wir bei intimen Geschichten mitfiebern wie bei Serien. Dass echtes Leid und echtes Leben Content wird. Ich bin da – leider – nicht besser. Ich scrolle weiter. Und nächste Woche hat „meine Freundin“ vielleicht einen neuen Partner. Oder eine Kooperation mit Windeln. Und ich? Bin wieder nah dran. Und doch komplett daneben.
von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin und Journalistin
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