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Außensicht
Gehälter an Schulen: Lehrgeld
Aus ff 25 vom Donnerstag, den 19. Juni 2025
Zu den alltäglichen Verrücktheiten gehört, dass wir Leute, von denen unser Überleben abhängt, immer schlechter bezahlen als alle anderen. Wer Blut abnimmt, Hintern abwischt, Müll einsammelt oder Semmeln bäckt, kann sich darauf verlassen, eine monatliche Beleidigung auf dem Gehaltszettel wiederzufinden – vorausgesetzt (hallo, Ehrenamt) es bleiben überhaupt ein paar Krumen übrig. Das gilt erst recht für Arbeiter, durch deren Hände und Hirne buchstäblich unsere Zukunft geht: Lehrer und Lehrerinnen, die nun seit Monaten für ein höheres, pardon, würdiges Einkommen kämpfen und mit Ausflugsstreik drohen, für den Fall, dass es nicht kommt.
Es gibt nicht wenige, die darin Erpressung sehen, einen Kampf, der „auf dem Rücken der Schüler“ ausgetragen werde. Oh weh, oh weh, der Wandertag! In Wahrheit würden Lehrpersonen, machten sie mit dem Protest wirklich ernst, nicht Ausflüge bestreiken, sondern Mathematikstunden. Sie würden wie normale Arbeitnehmer die Kreide fallen lassen, Stundenpläne einschränken, Nachprüfungen verweigern. Stattdessen reagieren sie auf politische Durchhalteparolen (2026 kommt aber was!) und Vorwürfe (Die Löhne sind aber gestiegen!) mit der geringstmöglichen Drohung: Wandern könnt ihr aber allein.
Wer will ihnen das verargen? Ausgerechnet jene besserverdienenden Kritiker, die bei jeder Gelegenheit von Angebot und Nachfrage sprechen – nur nicht, wenn es um den Lehrkräftemangel geht. Hier werden Wirtschaftsexperten zu BWL-Stümpern: Vielleicht könnte man ja auf die allgemeine Faulheit schimpfen? Obstkörbe ins Lehrerzimmer stellen? Mehr „Quereinsteiger“ anwerben?
Blödsinn, möchte man rufen und sie mit der unsichtbaren Hand des Marktes watschen: Es, klatsch, geht, klatsch, ums, klatsch, Geld! Bei Spitzenkräften weiß man das: Die deutsche Schulamtsleiterin versteuerte (dank einer Nachzahlung) im vergangenen Jahr fast 330.000 Euro – zehnmal so viel wie das Einstiegsgehalt eines Mittelschullehrers. Ist das gerecht? Lehrjahre sind keine Herrenjahre, heißt es, aber früher galt der Spruch mal denen, die auf Schulbänken sitzen. Und nicht den Leuten an der Tafel.
von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg
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