Außensicht

Kalterer See: Schwimmen im Geld

Aus ff 35 vom Donnerstag, den 28. August 2025

Der Mensch hat über die Jahrtausende ein erstaunliches Talent dafür entwickelt, kostenlosen Dingen ein Preisschild anzukleben. Wir füllen Quellwasser in Plastikflaschen, um es in Automaten zu stecken, errichten Zäune an Grünflächen, um Ticketsysteme zu rechtfertigen, und bauen uns weitflächige, rot erleuchtete Stadtbezirke für ein Produkt namens Liebe. Auch ein Sprung in einen See wäre an sich völlig kostenlos: Bademeister Staat will, dass öffentliche Gewässer auch öffentlich zugänglich sind – schließlich zahlen wir alle dafür, dass das Wasser im See nach Wasser schmeckt und nicht nach E.-coli Bakterien.

Das Problem an kostenlosen Dingen ist freilich, dass niemand daran verdient. Und damit nach Kaltern, wo erneut Streit tobt um ein 5,3 Kilometer langes Seeufer, von denen 5,298 nicht oder nur gegen Gebühr betreten werden dürfen. Das Schwimmen im See ist gratis, aber gratis geschwommen wird nur im Konjunktiv: Wäre da kein Privatgrundstück, würde man schwåttln.

Kann man das nicht ändern?

Klar, sagen Verbraucherschützer, die seit Jahren das ­traurige Alibi-Steglein kritisieren, auf dem nicht mal die Kalterer SVP-Fraktion Platz hätte. Nein, sagt eben diese SVP-Fraktion, mit einem fantastischen Argument: Die Kalterer wollten in Wirklichkeit gar keinen kostenlosen Zugang, sondern lieber den „Schutz des Sees“ und „die Bewahrung für künftige Generationen“.

Rhetorisch ist das genial: Nicht genug, dass man dem Volk per Pressemitteilung erklärt, was es zu wünschen hat, und einen Gegensatz erfindet, der keiner ist. Nein, man erklärt auch noch beiläufig alle Verbraucherschützer zu mutwilligen Umweltverschmutzern: Die holen euch die dreckigen Leute ins Wasser! Wären die Regierenden ehrlich, würden sie zugeben, dass ihr Schutz in erster Linie nicht dem See gilt, sondern den Grundstückbesitzern drum herum. Manche schwimmen nämlich sehr gut in Kaltern, nur eben hauptsächlich im Geld. Wahrscheinlicher aber ist, dass die SVP bald einen neuen, riesigen Seezugang verkündet, völlig kostenlos. Und alles, was man dafür braucht, ist ein Flugzeug, einen Fallschirm und ein kleines bisschen Mut.

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg

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