Außensicht

Postprobleme: Von Print zu Pixel

In Südtirol kann man sich auf vieles verlassen: Der erste Schnee fällt garantiert, wenn die Winterreifen noch nicht montiert sind. Wenn man’s eilig hat, tuckert ein Schleicher vor einem her. Und die Post? Sie kommt nicht.
Ich bin ein altmodischer Typ. Ich liebe das Rascheln von Zeitungspapier, das Umblättern, den Kaffeefleck, der sich über die Schlagzeile legt. Ein Bildschirm kann da nicht mithalten, egal wie sehr man darauf herumwischt. Deshalb habe ich Print-Abos. Oder besser gesagt: hatte.
Seit Wochen kehre ich regelmäßig vom Briefkasten zurück, die Hände leer, die Laune im Keller. Niente. Nada. Nur Werbung von Supermärkten, die offenbar einen eigenen Post-Express besitzen. Das Abo, das ich brav bezahle? Irgendwo zwischen Bozen und Salurn verschollen.
Dann dieser Moment der Einsicht: warum warten, bis die Post sich herablässt? Ich will am Tag des Erscheinens wissen, was läuft. Also: Abos umstellen auf online. Nicht, weil ich will, sondern weil ich muss. Und ich bin damit sicher nicht allein. Postprobleme gibt es überall. Bei einer Kundenhotline zählt der Mitarbeiter auf, wo überall Personalmangel herrscht und dass niemand weiß, wann oder ob’s besser wird. So werden immer mehr auf online umsteigen.
Meine Eltern könnten für ein beliebiges Südtiroler Paar stehen: Nach gefühlt 100 Jahren Treue zum Tagblatt sitzen sie jetzt mit dem Tablet da, zoomen und scrollen, weil zum realen Blättern nichts mehr kommt oder erst dann, wenn die Zeitung nur noch zum Anzünden von Kaminholz taugt. So stirbt die Zeitungslandschaft langsam. Nicht nur wegen Netflix und Tiktok, sondern weil die Post beschlossen hat, dass Pünktlichkeit völlig überbewertet ist.
Das ist der eigentliche Kollateralschaden: Südtirols Print-Zeitungen verlieren Leser nicht (nur), weil niemand mehr lesen will, sondern weil das, was bestellt wurde, nicht ankommt. Wer Print liebt, wird ins Netz gedrängt. Wer dort nicht zurechtkommt, geht verloren.
Das Zeitungssterben ist also nicht nur eine Frage von Digitalisierung oder Generationenwechsel. Es ist auch eine Frage der Briefkästen. Und die sind in Südtirol verdammt oft leer.

von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin und Journalistin

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