Außensicht

Nur kurz: Handy am Steuer

Aus ff 42 vom Donnerstag, den 16. Oktober 2025

Blinker links, Blick rechts – aufs Handy. Nur kurz. Wir fahren Auto, als wär’s ein Nebenjob. Eine Hand am Lenkrad, die andere beim Chat. Multitasking nennen wir das. Andere nennen es schlicht Wahnsinn.
Die Zahlen sind eindeutig: Allein in Meran wurden heuer schon 250 Führerscheine eingezogen wegen Handy am Steuer. Zweihundertfünfzig! Das ist keine Statistik, das ist eine Volkskrankheit mit Ladekabel. Und keiner merkt’s oder will es zugeben. Früher dachte man bei Schlangenlinien: betrunken. Heute denkt man: online. „Nur kurz“, sagen wir. Nur kurz die Nachricht lesen. Nur kurz „Okay“ antworten und noch ein Smiley nachschicken. Nur kurz die Nummer suchen. Nur kurz den Song wechseln. „Nur kurz“, sagen wir. Zwei harmlose Worte, tödlich im Straßenverkehr.
Manchmal, wenn ich in entgegenkommende Autos schaue, sehe ich keine Gesichter mehr, nur noch Displays. Köpfe gesenkt, als würden sie beten. Sollten sie auch – dass nichts passiert.
Natürlich glaubt jeder, er könne das. Multitasking. Blick aufs Display, halbes Auge auf die Straße. Bis das halbe Auge halt nicht mehr reicht.
Ich geb’s zu: Auch ich spüre diesen Sog. An der Ampel noch schnell tippen. Schnell jemanden anrufen, weil’s halt grad so gut passt. Sich einreden, alles im Griff zu haben. Bis man merkt: Der Einzige, der hier was im Griff hat, ist das Handy. Wir sind längst nur mehr Beifahrer.
Also gut: Ab jetzt bleibt das Handy beim Fahren weit, weit weg, versprochen. Da kann es piepen, blinken, hupen, wie es will. Denn wer am Steuer aufs Handy schaut, verwechselt Kontrolle mit Selbstbetrug.
Und für nur kurz ist das Leben einfach zu lang.

von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin und Journalistin

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