Außensicht

Rechtsextremismus: Rechte Schauermärchen

Man kann der Südtiroler Freiheit vieles vorwerfen, aber sicher keinen Kuschelkurs mit verurteilten Ausländern. Wer je einen Strafzettel bekam oder an Nagelfeilen vorbeilief, läuft in dieser Partei unter der Chiffre „Messermigrant“ und wird per rhetorischer Gnackwatsche zurück über die Grenze befördert.
Es war deshalb überraschend, wen Sven Knoll kürzlich als Redner zur Landesversammlung einlud: den Grazer Ex-Politiker Gerald Grosz. Der Mann, der die Haider-Partei BZÖ zu Grabe trug und mit „Zipfel eine, Zipfel auße“-Gesängen Bundespräsident werden wollte, hat eine erfolgreiche Zweitkarriere als rechter Influencer aufgebaut – und eine beeindruckende Liste an juristischen Auseinandersetzungen.
Schon 2007 wurde Grosz rechtskräftig verurteilt, weil er einer Journalistin unterstellte, sich mit Politikern „durch Betten gefickt“ zu haben. Er verglich CSU-Mann Markus Söder mit Hitler, wofür es mehrere (noch strittige) Geldstrafen setzte. Und auch für ein Jagdmesser, das er bei einer AFD-Veranstaltung stolz vorzeigte, gab es eine Anzeige. Grosz verteidigte es als „Flaschenöffner“ – ein Argument, das er bei Flüchtlingen bestimmt gelten ließe. Was hat ein solcher Glücksritter bei Knoll zu suchen? Nun, Grosz war da, weil er der Südtiroler Freiheit ein Märchen schenkte. Er fabulierte: So wie Faschisten einst Südtirol mit Italienern bevölkerten, um „das deutsche Element zu verwässern“, so nutzten „Merkel und ihre Knechte“ dasselbe „Regiebuch“, um uns mit „Mohammeds und Abdullahs“ zu fluten.
Man kann diese perfiden Vergleiche kritisieren oder nüchtern feststellen, warum die Südtiroler Freiheit diese Erzählung so gierig aufsaugt. Es ist ihr Traum, den alten „Freiheitskampf“ in eine neurechte Bewegung zu übersetzen: Wir wehrten uns damals, wir wehren uns jetzt. Doch der Preis ist hoch. Eine Partei, die stolz war auf ihr Lebensthema Selbstbestimmung, verliert sich aus freien Stücken in den Verschwörungstheorien eines gescheiterten und verurteilten Politikers, der vor allem neue Märkte sucht.
Grosz verkauft nicht nur Märchen, (sein neues Buch zieren Merkels bluttriefende Hände), sondern auch Rhetorikkurse – Preis auf Anfrage.

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg

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