Außensicht

Unternehmer in Saudi-Arabien: Südtiroler Scharia

Wenn Sie in Saudi-Arabien demnächst Krach vernehmen, sorgen Sie sich nicht – es könnten Partykanonen sein. Im Oktober durfte sich das Königreich nämlich über einen Rekord freuen: 300 Menschen ließ sein Kronprinz 2025 schon hinrichten, darunter Journalisten, Demonstranten und zwei Jungs, die bei ihrer Festnahme jeweils 17 und 15 Jahre alt waren. Das entspricht mehr als einer Vollstreckung pro Tag, notiert Human Rights Watch, quasi das Guinness Buch der Diktaturen – nur 2024 waren es mehr Menschen, die per Schwert enthauptet wurden. Aber erstens ist bis Silvester noch etwas Zeit. Und zweitens muss man die Köpfe feiern, wie sie rollen.
Aus europäischer Sicht mag das alles schwer verständlich sein, die Folter, die erpressten Geständnisse, das Blut vor und hinter Gefängnismauern. Aber das liegt bestimmt nur an fehlenden Übersetzern. Südtirols Unternehmen, erprobt im Nord-Süd-Scharnier, sind da weiter, sie strecken seit Jahren ihre Fühler in Richtung Osten aus.
Im November, einen Monat nach dem Hinrichtungs-Meilenstein, verkündete die IDM stolz, wie man mit den „ganz besonderen Regeln“ Saudi-Arabiens umzugehen gedenkt: mit einem eigenen Südtirol-„Agenten“, der uns „exklusiv auf diesem Markt Geschäfte anbahnen“ soll. Denn Kronprinz Mohammed bin Salman lässt nur im Nebenberuf Menschen köpfen, im Hauptberuf verspricht er der Welt „arabische Chancen“ (O-Ton IDM) und städtebauliche Megaprojekte, inklusive fliegender Autos und Roboter-Dienstmädchen. Da nascht man als Südtiroler doch gerne mit. Das Scharia-Recht vermasselt uns höchstens Speck-Exporte – aber nicht das Geschäft.
Nun sollte man Unternehmen nie für die Sünden verantwortlich machen, die von Staaten verbrochen werden. Kapital schlägt Moral und wer einmal gelernt hat wegzuschauen, wird seine Augen nicht plötzlich öffnen. Aber ein, zwei Grenzen sollte es doch geben? 2024 lobte sich ein Unterlandler Unternehmen dafür, schon „zehn Projekte“ in Saudi-Arabien umgesetzt zu haben, darunter „Büros und ein Gericht“. Von den Urteilen, die dort gefällt werden, liest man nichts. Wir liefern nur die passenden Möbel. 

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg

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