Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Aus ff 43 vom Donnerstag, den 28. Oktober 2021

Andrej Werth (rechts) im Gespräch mit den Rottensteiners
Andrej Werth (rechts) im Gespräch mit den Rottensteiners auf dem Patscheiderhof: Die Stube aus Fichtenholz soll an die 300 Jahre alt sein. © Alexander Alber
 

vor einigen Wochen, an einem Vormittag im September, saß Gottfried Solderer am Tisch des ff-Sitzungsraumes. Der Besuch war verbunden mit einer Frage und Bitte: Wollt ihr einen Stapel alter ff fürs Archiv? Er habe aufgeräumt und ausgemistet. „Ich habe keine Verwendung mehr“, sagte Solderer. Dann erzählte er noch über sein nächstes Projekt, seine Autobiografie. Jetzt dann, wenn in seinem Garten alles geschafft sei, werde er sich wieder am Schreibtisch zu schaffen machen, an seinem Schreibtisch, an seinem Buch. Und er erzählte auch darüber, dass die Reatia bald ins Haus unterhalb der ff ziehen werde. Er sagte es mit gewissem Stolz und großer Freude.

1980 hatte Solderer die ff mitbegründet, zehn Jahre lang war er deren Chefredakteur, 1991 hatte er die Edition Raetia gegründet. „Ein bisschen“, sagte er einmal zu ff, „habe ich schon für die Medienvielfalt in Südtirol getan.“ Das ist leicht untertrieben. „Ohne ihn würde es uns heute nicht geben“, hieß es bei unserer Montagssitzung. Und deshalb ist ihm auch die Titelgeschichte dieser ff gewidmet (ab Seite 30). Mit Gottfried Solderer hat Südtirol – jenseits alles Persönlichen – ein Stück Geschichte verloren. Ein Stück, in dem Anstand, Herz und auch Mut die entscheidenden Rollen spielten. Am Sonntag ist Solderer im Alter von
72 Jahren verstorben.

Mit Solderer öfter zusammen war Karikaturist Hanspeter Demetz – „um bei einem oder mehreren Glasln über Gott und die Welt zu reden“, wie dieser in seinem Nachruf auf Solderer schreibt. „Niemals jedoch über die Politik, die wir beide als grauslig empfanden.“ Nichtsdestotrotz schreiben wir in dieser ff auch ein bisschen über die Politik: Alexander van Gerven über den neuen Meraner Bürgermeister Dario Dal Medico, und was dieser nun vorhat (Seite 14). Und Karl Hinterwaldner schreibt über die Bilanzen der Südtiroler Parteien und dass sie wegen Geldmangels kurz vor dem Infarkt stehen (Seite 18).

„Lokaljournalismus“, sagte Solderer oft, „kann man mit dem Pauspapier machen, es ist schon alles erzählt.“ Einige Geschichten haben wir als ff noch nicht erzählt: zum Beispiel jene vom Patscheiderhof oberhalb von Bozen. Nach 40 Jahren schließt die Familie Rottensteiner nun ihr Gasthaus. In der Stube, in der sich Andrej Werth mit der Familie getroffen hat, saßen viele Promis und Politiker. Im Gästebuch kann man Einträge lesen von Eckart Witzigmann, Ornella Muti, Catherine Deneuve oder Heiner Geißler (Seite 26).

Wir wünschen Ihnen eine anregende ff-Lektüre

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  • Giorgio Gallione

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