Flaneid

Die Wanderbetten

Aus ff 10 vom Donnerstag, den 11. März 2021

Es war wichtig für die Wirtschaft, jetzt schon auf das Danach zu schauen. Es würde strukturelle Maßnahmen brauchen, mit Blick auf die Qualität.

Halt, Eigenerklärung!“ Ernst Putz, einziger Gemeindepolizist von Flaneid, sprang aus der Hecke auf die Schotterstraße, um einen Lieferwagen aufzuhalten, der möglicherweise trotz Corona-vorschriften grundlos in dieser Gegend unterwegs war. „Servus“, flüsterte Gerhard Ebenwieser, der Fahrer, durch die FFP2-Maske, „wir bringen diese Betten da auf die Alm.“ „Übernachten da mehrere?“, bohrte Putz, „eventuell sogar im selben Raum?“ „Ja, aber erst nächstes Jahr“, antwortete Ebenwieser. Putz ließ sie fahren, kratzte sich aber am Kopf. Betten auf die Alm? Eulen nach Athen? Luft in den Himmel? Geld zum Land? Er verstand nur, dass die Regeln eingehalten wurden und dass es um Arbeit ging. Arbeitgeber war Coelestin Unterganzner, der auf der Alm Hotels und ein paar umgewidmete Heuhütten hatte. Und der würde schon wissen, was er tat.

Im Gasthaus Unterganzner, im Stammbetrieb der Familienholding auf dem Flaneider Hauptplatz, herrschte unterdessen reger Betrieb. Das Gasthaus war natürlich vorschriftsgemäß zu, die Hintertür aber offen für die Dorfgewaltigen, damit Coelestin Unterganzner immer mitbekam, was lief. An dem Tag kamen aber auch immer wieder andere, die Betten nach oben schleppten. Es handelte sich um Mitglieder (in Zivil) der Schützenkompanie Flaneid, die allzeit bereit für größere Einsätze waren, wenn es um höhere Ziele ging. Diesmal ging es um den „Standort Flaneid“, wie ihnen gesagt worden war.

Nach Entgegennahme des Berichts legte Unterganzner das Handy wieder weg und wandte sich an Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin: „Hast du den Putz da oben hingestellt?“ „Logisch. Wäre dir lieber, er würde den ganzen Tag hier unten kontrollieren?“ Das stimmte auch wieder.

„Wir werden so schon genug kontrolliert“, meinte Schützenhauptmann Karl Treffer, der seinen Mannen zwischendurch aufmunternd zunickte, „wenn du heute mit Kreditkarte zahlst, dann registrieren sie genau, wo du warst.“ „Außer bei der Emma“, wusste Handwerkerobmann Seppl Rohrer, „die weiß nicht einmal, was eine Kreditkarte ist.“ Emma Ladinser, Inhaberin des Lebensmittelgeschäfts auf dem Hauptplatz, hatte Rohrers Karte von allen Seiten inspiziert und dann in die Kasse gelegt. „Wenn du das nächste Mal mit Geld kommst, dann kriegst du sie wieder“, hatte sie ihm gesagt. „Emma, das ist eine Kreditkarte!“ „Ja, und wenn ich dich aufschreiben lasse, dann ist das ein Kredit.“

Auch Treffer konnte zur allgemeinen Erheiterung beitragen: „Wisst ihr, wie man den welschen Staat beim Cashback fregiert? Ihr kauft mit der Kreditkarte im Supermarkt eine Einkaufskarte – das wird angerechnet. Und dann kauft ihr mit der Einkaufskarte ein – das wird wieder angerechnet.“ Alle staunten über die kriminelle Energie, die Treffer aufbrachte, wenn es darum ging, die Finanzkraft des Feindes zu schwächen.

Die meisten im Lokal nahmen von den emsigen Bettenträgern keine Notiz mehr. Nur Bauern-obmann Emil Harasser stellte die Sinnfrage. „Die kommen von der Reparatur zurück und wieder nach oben“, erklärte Unterganzner. „Deine Gäste treiben’s aber bunt“, kommentierte Harasser. Damit war die Sache fast erledigt.

„Du, im Ernst, was hast du vor? Das sind neue Betten“, bewies Olga Klotz, dass ihr nichts entging. Unterganzner schaute sich zuerst um, dann sagte er: „Wegen der neuen Bettenbeschränkung vom Land. Stichjahr ist 2019, also waren die schon vorher da. Und dann wird qualitativ erweitert, damit alle bestehenden Betten mehr Platz haben.“

„Du weißt aber schon, dass nur die gemeldeten Betten gezählt werden“, wandte Klotz ein. „Mit dem Melden hab’ ich’s nicht so, aber das weißt du ja“, antwortete der Wirt. Sie musste schlucken. Weil sie es wusste.

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