Flaneid

Bad Bank

Aus ff 11 vom Donnerstag, den 18. März 2021

Dank Mutanten bildeten sich gegen Verordnungen immer schneller psychologische Antikörper. Es brauchte ein Opfer zur Besänftigung.

Als ranghöchster und einziger Gemeindepolizist hatte Ernst Putz ganz alleine die Corona-Sicherheitsbestimmungen zu überwachen, und das war nicht nur unmöglich bis schwierig, sondern tat mitunter auch weh.

Olga Klotz, regierende Vizebürgermeisterin, sah durch einen Vorhangspalt vom Gasthaus Unterganzner aus, wie sich ein FFP2-Vermummter von hinten an Putz heranschlich und ihm einen Fußtritt in den Hintern versetzte. Sie hätte Putz warnen können, tat sie aber nicht. Nicht weil dann vielleicht bemerkt worden wäre, dass sie sich in einem an sich geschlossenen Gasthaus aufhielt, sondern weil sie überlegen wollte, was das für Konsequenzen für sie gehabt hätte, wenn sie einen Ordnungshüter – ihren Untergebenen – vor dem Volk – ihrem Vorgesetzten – in Schutz nahm. Politik musste eben weiter vorausschauen.

Putz zog instinktiv zuerst den Strafzettelblock und drehte sich dann um – und erkannte nichts Identifizierbares mehr. In einer idealen Gemeinde, wie er sie sich vorstellte, würde er jetzt die Spurensicherung rufen, einen Polizeipathologen mit der Abschätzung des Schadens beauftragen (was wahrscheinlich die Vivisektion seines Gesäßes mit sich gebracht hätte, aber das wusste er nicht), und vor allem hätte ein Polizeipsychologe das Täterprofil erstellt: männlich, weiß, wütend.

„War längst schon fällig“, kommentierte Bauern-obmann Emil Harasser, der wie andere Honoratioren durch den Hintereingang des Gasthauses Einlass gefunden hatte. „Der peinigt die Bürger bis aufs Blut“, stimmte Kaufleuteobmann Helmuth Kramer zu. „Ein bisschen streng ist er schon“, gab Sozialassessorin Milli Minder zu, die sich ansonsten immer hinter die Gemeindebediensteten stellte. Tat sie in diesem Fall auch, nur hatte Putz unlängst zwei ihrer Mitarbeiterinnen beim Verzehr eines Salatbrots auf der Parkbank erwischt: Essen auf öffentlichen Plätzen, 280 Euro. Der Fall hatte Wellen gemacht, und Bürgermeister Daniel Grüner, der sich daheim vor dem Virus verschanzte und alle Warnungen und Verordnungen genau nahm, hatte – auch in Abwägung des Wählerpotenzials (2:1) – Gnade vor Recht ergehen lassen. In einer mündlichen Verordnung, die er Putz telefonisch übermittelte, wurden Parkbänke für in Ordnung erklärt – sofern der gesetzliche Abstand eingehalten wurde! Und das wurde er nicht, wie sich bald herausstellen sollte.

„Der kontrolliert ja durchs Fenster, ob wir daheim den Abstand einhalten“, ärgerte sich Harasser. Olga Klotz registrierte mit Genugtuung, dass sich der Unmut nun mehr gegen die Ordnungskräfte richtete und die Politik so aus der Schusslinie kam. Andererseits: Putz war der einzige Polizist, den man hatte. Würde er Opfer des Volkszorns, würde die Politik wieder zur Zielscheibe. Also war der Zorn wieder ein bisschen in Zaum zu halten: „Wird schon sein, Leute“, ging sie auf die bisherigen Argumente ein, aber wenn wir uns nicht ein bisschen zusammenreißen, dann kommen die Mutanten, und wir landen schnell in Südafrika.“ „Wie genau nehmen sie’s dort mit der Urbanistik?“, fragte Wirt Coelestin Unterganzner unbeeindruckt bis interessiert.

Ernst Putz nahm es ganz genau. Er vermaß die Parkbank und stellte – weil zu kurz – den beiden Damen wieder dieselbe Strafe aus. Der Protest gegen die Gängelung blieb nicht aus.

Klotz ließ sich Untat und Straftat genau schildern und fand dann die Lösung: „Schwammige Verordnungen helfen nichts“, teilte sie dem Volk mit einem Seitenhieb auf Grüner per WhatsApp mit, „jetzt machen wir ganze Sachen! Nie wieder soll ein Flaneider unter einer zu kurzen Parkbank leiden müssen.“ Die böse Bank wurde auf dem Hauptplatz verbrannt. Klotz und Putz, Macht und Ordnung waren gerettet wie Geiß und Kabis.

Leserkommentare

Kommentieren

Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.