Flaneid

Das falsche Fräulein

Aus ff 29 vom Donnerstag, den 22. Juli 2021

Ein Wirt musste sich vieles gefallen lassen. Manche der Gäste erkannten aber, dass es Schlimmeres gab.

Freiln!“ Und dazu wurde auch noch mit dem Finger geschnippt. Da suchte jemand offensichtlich nach einer Bedienung. Es war Emil Harasser, Obmann der Flaneider Bauernschaft. Coelestin Unterganzner sah sich in seinem gleichnamigen Gasthaus um. Kellnerin Kathy versorgte den Außenbereich, also war er drinnen die einzige Bedienung. Die sich natürlich nicht alles gefallen ließ: „Du, horch, ich bin kein Fräulein!“ „Heutzutage weiß man ja nie, wie man einen, äh, jemanden ansprechen soll“, verteidigte sich Harasser. „Aber nicht Fräulein zu einem Mann!“, protestierte der Wirt.

Jetzt mischte sich Sozialassessorin Milli Minder ein: „Korrekt gesagt, wärst du eine Servierfachkraft mit Migrationshintergrund.“ „Mit was? Migrationshintergrund?“, fragte Unterganzner. Leute mit solchen Attributen hatte er genug in der Küche, er selbst rechnete sich nicht dazu. „Ja, weil du dauernd herumläufst“, erklärte ihm Minder, „von Tisch zu Tisch.“ „Blödsinn!“, sagte Unterganzner.

„Und wie soll ich dich jetzt nennen?“, fragte Harasser nach. „Wie wär’s mit Coelestin?“, fragte der Wirt zurück. „Prinzipiell ginge das“, blieb Minder im Gespräch, „man muss aber aufpassen, dass man niemanden ausschließt.“ „So wie diese LKWG“, sekundierte ihr Finanzassessorin Hedwig Helfer. „Nein, KGBL“, korrigierte Kulturassessorin Klara Teutsch. „LGBT+“, sprach Olga Klotz, regierende Vizebürgermeisterin, ein Machtwort, „hat übrigens jemand schon einmal einen gesehen?“ „Oder eine“, ergänzte Minder. „Oder so etwas“, fügte Helfer das Neutrum hinzu.

Auch im Gemeindeausschuss gingen die Meinungen zum Thema, das gerade landesweit aufkochte, weit auseinander. Minder war klar dafür, Teutsch sorgte sich um die Reinheit der Sprache, während Helfer an die Kosten der neuen Rechtschreibung dachte: „Die ganzen Tafeln und Briefköpfe.“ Klotz war es eher egal. Sie war zufrieden, den Bürgermeister unter sich zu haben.

„Aufhören, sonst kriegt ihr nichts mehr zu trinken!“, rief Unterganzner in die Runde, „als ob es nichts Wichtigeres gäbe …“

„Es gibt Wichtigeres, da hast du recht“, meldete sich Bürgermeister Daniel Grüner zu Wort. Er hatte die ganze Zeit Notizen auf ein Durst-Blöckl gekritzelt, die Schreibunterlage der gleichnamigen Flaneider Brauerei, auf der wichtige Entscheidungen festgehalten wurden: Wattergebnisse, Bauleitpläne ... „Wenn das mit den Infektionszahlen so weitergeht, dann sind wir bald wieder gelbe Zone und dann orange und … ich seh’ schwarz“, sagte Grüner.

Unterganzner wurde nervös: „Und was schreibst du da?“ „Ich versuch’ nur nachzudenken, was die Gemeinde beitragen könnte, um die Inzidenzen wieder zu senken“, erklärte Grüner. „Also Einschränkungen?“ „Ja, Maßnahmen.“ „Sag’ ich ja.“ „Sagt man nicht.“

„Heißt das jetzt, dass wir den Grünen Pass brauchen, um hereinzukommen?“, fragte Harasser, der als Bauer bereits einen Giftpass hatte, aber noch nicht den grünen Pfeil vom Gesundheitsministerium. „Möglich.“ Mehr ließ sich Grüner nicht entlocken. „Ihr spinnt ja“, protestierte der Wirt, „soll ich am Eingang stehen und kontrollieren, oder soll ich euch aufschenken? Beides geht nicht.“

Um das Schlimmste zu verhindern, machte Unterganzner selber einen Vorschlag: „Ihr könntet den Kindergarten schließen.“ „Ist ja schon zu, im Sommer“, wandte Klara Teutsch ein. „Das wissen die wenigsten“, erklärte ihr Unterganzner, „und ihr könnt sagen, ihr habt etwas getan.“ Grüner machte sich Notizen.

Die Vorschläge, was man alles wieder zusperren könnte, häuften sich gefährlich. Da kam der hilfreiche Ruf von Harasser, der Nachschub bestellte: „Coelestin!“ „Kannst ruhig Fräulein zu mir sagen“, antwortete Unterganzner, in der Hoffnung, dass sich die Diskussion wieder auf die Anrede -verlagerte.

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