Was auch immer geschieht, im Weiler Himmelfahrt auf dem Ritten soll die Welt nicht aus den Fugen geraten. Dafür tun die bestens vernetzten Sommerfrischler so einiges.
Flaneid
Jagd auf die Lehrer
Aus ff 31 vom Donnerstag, den 05. August 2021
Knapp vor der 4. Welle ging es darum, die letzten Impfmuffel zu überzeugen. Ohne Überzeugung würde es aber auch gehen, dachten die Flaneider.
Rein oder Wein?“, fragte Coelestin Unterganzner, als Bauernobmann Emil Harasser sein Lokal betreten wollte. Der Wirt hatte ein Dienstkäppi auf und zwei Wandernadeln am Revers, wie sie früher sportlichen Touristen verliehen wurden. Damit sah er etwas nach Amtsperson aus. Auf den fragenden Blick Harassers sagte Unterganzner: „Entweder ich steh’ hier und kontrolliere den Grünen Pass oder ich stehe hinterm Budel und schenke auf.“ Er nutzte dieses Paradoxon, das bisher weder Mathematiker noch Ministerpräsidenten lösen konnten, um gegen die neuesten Corona-Regeln zu protestieren.
Dagegen protestierte nun wiederum Kulturassessorin Klara Teutsch: „Wir tun draußen alles, um die Impfmuffel zu überzeugen, und du tust hier alles hintertreiben!“ Unterganzner stemmte die Fäuste herausfordernd in die Hüften: „Was tut ihr?“ Teutsch zeigte mit dem Kinn auf den Hauptplatz.
„Was kosten zwei Stück Kirschtorten?“, fragte Hedwig Zehnleser, als sie den Kuchenstand auf dem Hauptplatz besuchte. „Nix“, sagte Sozialassesorin Milli Minder, „du musst nur da unterschreiben.“ Zehnleser, gelernte Lehrerin, wurde stutzig. Und als sie hinter Minder noch Gemeindearzt Kaspar Hertz sah, kamen ernste Zweifel auf. Und dann sah sie die Spritze. „Mir ist der Appetit vergangen, danke.“
„Ohne ordentliche Impfrate haben wir im Herbst wieder Fernunterricht“, warnte Teutsch, als sie Zehnleser stichlos wieder abziehen sah, „das kann man den Kindern nicht mehr antun.“ Sogar Schützenhauptmann Karl Treffer sah das sofort ein: „Die armen Kinder. Was die in dem Jahr mitgemacht haben!“ Es war das am meisten nachgeplapperte Argument im Coronajahr. Andere waren vielleicht am Verhungern oder in der Warteschlange der Ersten Hilfe – „aber die Kinder!“ Kein Brot, kein Pflaster, keine Party – das war die Steigerungsformel der Katastrophen.
„Wir müssen etwas tun“, sagte Teutsch, „die Rate beim Lehrpersonal ist erst bei 66,6 Prozent.“ Die restlichen 33,3 Prozent bestanden aus Hedwig Zehnleser. Sie war keine Impfgegnerin, aber sie wollte noch zuwarten, schauen, wie es den anderen nach dem Stich ergeht, und dann, nach zehn, zwanzig Jahren, wenn man die Langzeitfolgen abschätzen konnte, dann würde sie sich vielleicht impfen lassen. „Asozial bis auf die Knochen!“, urteilte die Runde im Unterganzner. „Reden hilft nicht, hab’ ich schon probiert“, räumte Teutsch den ersten möglichen Lösungsansatz beiseite.
Treffer hatte vielleicht eine Lösung: „Ich hab’ das in Afrika in einem Nationalpark gesehen. Da haben sie einen Elefanten für den Zahnarzt klarmachen müssen. Ein Betäubungsgewehr, mit einer Spritze statt der Kugel, und zack.“ „Ist das gefährlich?“ „Bisher hat das noch jeder Elefant überlebt.“
„Gut“, entschied Bürgermeister Daniel Grüner, „du besorgst die Ausrüstung und ich kümmer’ mich ums Bürokratische beim Land.“ Dieses war bekanntlich etwas langsamer als ein Schuss.
„Ich hab’ sie jetzt im Fadenkreuz“, meldete Treffer per Handy. „Noch nicht“, antwortete Grüner, „ich hab’ noch keine Freigabe.“ „Was sagen die beim Land?“ „Weiß nicht, die haben eine lange Leitung.“
„Sie steht vor der Auslage, mit dem Hintern zu mir“, meldete Treffer. „Nein! Ich hab’ noch keine Freigabe.“ Dann meldete sich das Land. Es ging hauptsächlich deswegen nicht, weil Betäubungsgewehre vom Typ BE für diesen Zweck bisher noch nicht zugelassen waren. Außerdem sollte die Gemeinde ja keine eigenmächtigen Schritte machen. Treffer warf die Flinte vor Zorn ins Korn. Ein Schuss löste sich. Bürgermeister Grüners Hintern und anschließend er selbst zuckten zusammen. Kaspar Hertz klopfte ihm auf die Schulter: „In Isreal verabreichen sie auch eine dritte Dosis. Sicher ist sicher.“
Weitere Artikel
-
Saufen und Sinn
Film „Der Rausch“
-
Die Burgunder- Herausforderung
Kellerei Girlan: Kellermeister Gerhard Kofler und die edelste, kapriziöseste Rebsorte der Welt.
Leserkommentare
Kommentieren
Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.