Eine fremde Frau spendete die Eizelle, eine andere Frau trug das Baby aus. Jetzt sind Philipp und Marc Väter. Wie schwierig war der Weg bis hierher?
Flaneid
Der Standort der Mure
Aus ff 33 vom Donnerstag, den 19. August 2021
Die Gefahr lauerte überall. Aber wirklich Angst hatten die Flaneider vor dem Gefahrenzonenplan.
„Absolute Sicherheit gibt’s nirgends“, erklärte Bürgermeister Daniel Grüner einem Impfzauderer, der noch viele offene Fragen hatte. Er ließ ihm vom Wirt ein Glas bringen, denn ihm war daran gelegen, möglichst viele zu überzeugen. Wenn Flaneid bei dieser mickrigen Impfrate blieb, dann lief das Dorf Gefahr, bei einer der nächsten Maßnahmen, geschnitten, zugesperrt oder unter Hausarrest gesetzt zu werden.
Sein Gesprächspartner war ein schwieriger Fall. Er hatte sich noch nicht entschieden, ob er ein Impfgegner oder ein Impfskeptiker sein wollte. In ein paar Monaten würde er mehr wissen, dessen war er sich sicher, jedenfalls mehr als die vielen Wissenschaftler, denen man nie trauen konnte. Doch er hatte gelernt, Fragen zu stellen: „Und die Langzeitfolgen?“
Grüner zeigte auf das Glas Wein: „Über die Langzeitfolgen des Alkoholkonsums wissen wir auch noch zu wenig.“ Da fühlte sich der Ziggl-Franz angesprochen, der schon seit frühmorgens am Budel stand: „Langfristig sind wir alle tot.“ Grüner fand das Argument unpassend, da es im Corona-Zusammenhang fatal gewesen wäre, und lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf das Wesentliche: „Vieles in diesem Leben ist unsicher, zum Beispiel das Wetter, wie wir gerade in diesen Tagen sehen …“
„Gut, dass du das sagst, Bürgermeister“, mischte sich die regierende Vizebürgermeisterin Olga Klotz ein, „meinst du nicht, wir sollten einmal mit dem Gefahrenzonenplan weitermachen, nach den Murenabgängen im ganzen Land?“ Grüner zuckte zusammen und warnte: „Damit würden wir nur Panik in der Bevölkerung schüren.“ „Wegen eines Plans?“, wunderte sich Klotz. Sie meinte, dass der Bürgermeister meinte, dass die Bevölkerung meinen würde, es würden jetzt zig Muren herunterkommen, wenn sie den Plan sah. „Nicht wegen, sondern vor dem Plan“, klärte Grüner sie auf. Klotz schüttelte den Kopf und zog eine Karte hervor, auf der sie schon einmal ein paar Zonen eingetragen hatte. „Zeig das mal dem Wirt“, sagte sie, „du wirst sehen, das haut keinen um.“
Coelestin Unterganzner war auch nicht leicht umzuhauen. Als Besitzer aller 14 Hotels in Flaneid
bildete er eine Branche und konnte leicht auf die Gemeinde Druck machen, mit Arbeitsplätzen, Gemeindeabgaben … Er zeigte mit seinem kritischen Finger sofort auf eine Stelle in der Bergfraktion Kipf: „Da oben kommt keine Mure, da baue ich etwas.“ Das war neu für Klotz und deswegen interessant. Sie schickte den Bürgermeister wieder zu seinem Zauderer und übernahm selbst das Gespräch: „Die Mure kommt, wo sie kommt, die können wir nicht mit einem Plan verlegen.“ „Ihr Politiker mit eurer ständigen Alternativlosigkeit!“, schimpfte Unterganzner. Dann sah er ihr in die Augen und machte ihr einen Vorschlag: „Wie wär’s mit einem Gegengeschäft? Ich baue nicht da, sondern dort, wo es euch besser passt. Dafür …“ – er zog ein mehrseitiges Papier hervor, das sicher nicht vor 5 Minuten entstanden war. Da stand, dass dafür sein Kompagnon (der Name fehlte) „irgendwo anders“ zusammen mit internationalen Investoren „irgend-
etwas“ errichten würde.
„Und wo ist da das Gegengeschäft für die Gemeinde?“, fragte Klotz. Unterganzner zeigte ihr die entsprechende Stelle im Vertragsentwurf: Die Investoren würden sich im Gegenzug verpflichten, das Dorf zu verlegen, „falls es aus Sicherheitsgründen oder aufgrund der Ergebnisse allfälliger Marktstudien notwendig sein würde“.
Klotz überflog das Papier nicht einmal und zerriss es: „Das ist mir zu kompliziert. Weißt du was? Du baust da, wo du gesagt hast, und die Mure machen wir dort.“
Und so zeigte sich wieder, dass man durch Einbeziehung aller – inklusive der Natur – zu Lösungen kam, die alle mittragen konnten. Offen blieb nur, was die Mure mittragen würde.
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