Flaneid

Spinat gegen Covid

Aus ff 48 vom Donnerstag, den 02. Dezember 2021

Wegen Coronapartys und anderer Naturheilmittel bekam Flaneid einen schlechten Ruf. Doch die Tourismuswerbung war wie immer erfinderisch.

Das ist ja ein Polizeistaat ist das!“, entfuhr es Frieda Unterfertinger, als Gemeindepolizist Ernst Putz im Gasthaus Unterganzner die Gäste nach dem Grünen Pass fragte. Unterfertinger hatte zwar einen, wollte aber, als glühende Verfechterin der direkten Demokratie, nicht von der Obrigkeit drangsaliert werden. Sie hatte es grundsätzlich gegen Einschränkungen der persönlichen Freiheit – wie Gesetze, Verträge und Ampeln, wenn sie nicht direkt vom Volk dekretiert waren.

„Polizeistaat? Geh, Frieda!“, machte Olga Klotz, regierende Vizebürgermeisterin von Flaneid, einen Beruhigungsversuch, „ist ja nur der Putz.“ Mit „nur“ wollte sie nicht Putz herabwürdigen, sondern darauf hinweisen, dass er der einzige Gemeindepolizist in Fla­neid war und er sich in dieser Position schwertat, ein ganzes Dorf zu drangsalieren oder gar zu umzingeln. „Hier geht es ums Prinzip!“, protestierte Unterfertinger und kündigte die Einleitung eines Referendums an. „Die Gemeinde ist da nicht zuständig“, klärte Klotz sie auf. „Mir wurscht“, sagte Unterfertinger trotzig, „ich will, dass vor jeder wichtigen Entscheidung das Volk gefragt wird.“ „Gut“, grinste Klotz, „dann machen wir das nächste Mal eine Volksbefragung, bevor wir mit dem Schneeräumen anfangen.“

Wirt Coelestin Unterganzner und Schützenhauptmann Karl Treffer näherten sich bedrohlich. Beide fanden die Kontrollen lästig, akzeptierten sie aber, wenn es um die Rettung der Heimat beziehungsweise der Wintersaison ging. „Frieda“, sagte Treffer streng und ließ die Fingergelenke knacksen, „steck sofort den Kugelschreiber ein.“

Auch Unterganzner machte mit seinem Blick deutlich, dass mit ihm nicht zu spaßen war. An dem Tag hatte er schon drei Stornierungen aus Italien zu beklagen. „Und das alles wegen ein paar Zwiderwurzen. Ganz Italien glaubt jetzt, wir sind alles Spinner, die mit Coronapartys, Wurmmittel und Woodoo gegen die Pandemie ankämpfen.“
„Und wenn das die Rettung wäre?“ Unterganzner hatte sein eigenes Argument mittlerweile ins Positive verkehrt und versuchte nun, den erweiterten Gemeindeausschuss, der wie immer bei ihm in der Zirmstube tagte, vom neuen Tourismuskonzept zu überzeugen. „Wir stellen uns als Narrenkäfig dar, als Dorf der Verrückten. Das will jeder einmal gesehen haben. Wir müssen nur garantieren, dass wir gegenüber den Gästen die Abstände einhalten, dass sie sich sicher fühlen.“

„Und als was soll ich gehen?“, fragte Treffer. „Als Schützenhauptmann“, sagte der Wirt. Treffer biss auf die Zähne, der Heimat zuliebe. Es war beschlossen. Für die nötige Kundmachung griff man auf die asozialen Medien zurück.

Dem Ziggl-Franz stellte man auf dem Platz ein Fass auf, damit er freiwillig seinen Stammplatz am Budel verließ. Als erste Ansprechperson war er urig genug. „Io non sappio“, gab er dem ersten Gast Auskunft und wurde sofort für ein Selfie in Beschlag genommen. Ein beliebtes Fotomotiv war auch Obstbauer Emil Harasser mit dem typischen Taschentuch mit vier Knöpfen auf dem Kopf. Ein Krampus tanzte um einen rauchenden Kessel, selbstverständlich ein Naturheilmittel gegen alles. Das Konzept „Narrenkäfig“ schien anzuziehen.

Eine junge Familie setzte sich im Unterganzner an den Esstisch. Als Kinderteller hatte der Wirt irgendwas mit Cremespinat parat, entgegen der ausdrücklichen Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats der internationalen Kindergartenköchinnenorganisation, Kindern unter 5 keinen Cremespinat zu verabreichen, auch weil die Langzeitfolgen noch nicht erforscht waren. Die Kurzzeitfolgen bekam Unterganzner mitten ins Gesicht. Treffer lachte aus Rache. Unterganzner wurde für ein Selfie umringt – und lächelte auch noch. Alles für die Saison.

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