Flaneid

Viel Wind um etwas

Aus ff 04 vom Donnerstag, den 27. Januar 2022

In Verhandlungen konzentriert man sich oft auf Nebensachen, um die Hauptsache im Auge zu behalten.

Daniel Grüner.“ Der Name wurde vom Präsidenten verlesen und vom Parlament überhört. Wie „Giuseppe Garibaldi“ und „Giulio Cesare“ gehörte auch er zu den vielen Fingerübungen bei der Wahl des Staatspräsidenten, solange es noch keine Einigung zu einem aussichtsreichen Kandidaten gab. Aber es sprach sich in Flaneid herum, spätestens, als der Flaneider Bote die Nachricht aufgegriffen hatte.

Bürgermeister Daniel Grüner legte die Zeitung beiseite. Wer hatte seinen Namen geschrieben? Der Bürgermeister dachte nach. Ah! Der! Unter den Wahlmännern war einer, der schon öfter etwas über Flaneid gesagt hatte, und der wollte jetzt eine geheime Grußbotschaft schicken. Und wahrscheinlich wollte er jetzt auch eine Gegenleistung dafür, ein Abendessen, eine Ehrenbürgerschaft, einen Parkplatz… Irgendetwas wollten sie immer.

„3 Euro das Glasl?“, protestierte Bauern­obmann Emil Harasser, „wenn ich so viel für den Wein kriegen würde, dann wäre ich jetzt reich.“ „Ich kauf den Wein bei eurer Genossenschaft, ihr könnt ja dort protestieren“, antwortete Wirt Coelestin Unterganzner, „jeder hat so seine Spesen. Bei mir und bei der Genossenschaft ist es jetzt halt der Strom.“ Von den Energiekosten hatte Harasser auch schon mal gehört, aber es noch nicht so richtig verstanden.

Bürgermeister Grüner näherte sich dem Budel. Ein Gemeindebeamter hatte ihm soeben ein frisch eingereichtes Projekt überreicht. „Was soll das?“, fragte er den Wirt und legte dessen Projekt für eine Windkraftanlage hin. „Ja, weißt du, die heutigen Stromkosten… wir müssen alle schauen.“ „Aber nicht da oben neben der Kapelle!“, sagte Grüner. „Das ist ein Testprojekt, da krieg ich von oben eine provisorische Genehmigung, da kannst du gar nicht dreinreden, weil das ist nachhaltig“, drohte ihm der Wirt. „Wieso nachhaltig, wenn es nach ein paar Jahren sowieso wieder weg muss?“, fragte der Bürgermeister. „Dann stell‘ ich halt wieder irgendwo anders eine Testanlage auf“, antwortete Unterganzner, „ich teste für mein Leben gern.“

„Wieso tut er das?“, fragte Harasser, der sich inzwischen zu seinem Berufskollegen Toni Steiger gesetzt hatte, um die Preisspirale zu erörtern, „da hauen ihm doch die Touristen ab.“ „Er wird schon seine Überlegungen gemacht haben“, meinte Steiger. Am Nebentisch saß Frieda Unterfertinger, Flaneids glühendste Verfechterin der direkten Demokratie, und drückte nervös an ihrem Kugelschreiber herum. Mindestens eine Unterschriftensammlung würde sich ausgehen.

Als Grüner bleich wurde, holte ­Unterganzner zwei Beruhigungsmittel hervor: ein Gläschen Enzian und ein Projekt für die Erweiterung eines seiner Hotels samt Parkplätzen. Das Projekt hatte er schon öfter vorgelegt, und immer hatte die Gemeinde nein gesagt. „Das wäre die Alternative“, sagte er. Grüner schluckte und fasste zusammen: „Also: Erweiterung Hotel Enzian und dafür nix Windmühle?“ „Genau.“

„Und du hast ihm zugesagt?“, fragte Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin. Sie schärfte ihm ein, in Zukunft immer zuerst sie zu fragen, bevor er etwas Größeres als einen Parkplatz genehmigte.

Jetzt kam Unterganzner mit einem neuen Plan. Ein kleines Atomkraftwerk, grüne Energie, wie die EU sagen würde. Klotz blieb unbeeindruckt: „Und was wäre die Alternative?“ Der Wirt kramte seinen alten Plan für ein neues Hotel hervor. Klotz kannte es: „Erstens: Nein zum Hotel. Zweitens: Frieda!“ Die Angesprochene kam gelaufen. „Weißt du, wie viel Gäste stornieren, wenn sie davon hören?“, fragte Klotz den Wirt.

Fall erledigt. Grüner dachte wieder nach Rom. Sollte er sich jetzt Hoffnung machen? Naa! Schließlich stand auf einem dieser nutzlosen Stimmzettel auch ein ortsbekannter Skilehrer, den niemand im Ernst wählen würde.

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