Flaneid

Wem Ehre gebührt

Aus ff 08 vom Donnerstag, den 24. Februar 2022

Die Wahl der Würdenträger war immer eine Qual. Den Entscheidern winkte wenigstens der Abglanz der Glorie.

S

o a Ehr’ wär schon schön“, meinte der ­Ziggl-Franz, als er die Liste für das Tiroler Verdienstkreuz las, das am Hofer-Tag an Persönlichkeiten vergeben werden sollte. Er legte die Zeitung weg und schaute an seiner Jacke hinunter, wo sich einiges angesammelt hatte: das Eichenlaub mit Gold (und Staub) von der ­Flaneider Schützengilde, aus den Jahren, als er noch nicht zitterte, die Wandernadel von Kuens für die Umrundung des Gemeindegebiets, das goldene Trinkglas der Bauernjugend für seinen Einsatz für den Leps als DOC-Wein, die blecherne Mickey-Maus für den Besuch von Disneyland (zum Geburtstag des Neffen). Im Gedenken an die alten Zeiten bekam er Tränen in den Augen. Grund genug, um nachzubestellen.

Bürgermeister Daniel Grüner, der im Unterganzner am Ecktisch saß, kannte dem Franz seine Lebensgeschichte und kam zum Schluss, dass die Ehrabzeichen den Bürgern doch noch etwas sagten.

„Ein eigenes Gemeindeabzeichen?“, wunderte sich Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin, „jetzt, wo die Bürger ganz andere Sorgen haben?“ „Konkret können wir als Gemeinde gegen Corona und Energiepreise ja nichts tun“, argumentierte Grüner, „wir können ihnen nur ein Zeichen geben, ein Zeichen der Hoffnung.“ Grüner hatte wieder Visionen, befand Klotz und fand, wie schon der deutsche Kanzler Schmidt, dass das ein Fall für den Arzt wäre. Andererseits fand sie es gut, wenn er von sich aus und ganz allein in ein Fettnäpfchen treten wollte. „Gut, wir könnten, äh, du könntest es probieren“, sagte sie und machte ihm gleich ein paar Namensvorschläge von verdienten Persönlichkeiten.

„Den Unterganzner? Spinnst du?“, empörte sich Schützenhauptmann Karl Treffer, als Grüner bei maßgeblichen Bürgern den Widerhall seiner Namensliste testen wollte. Coelestin Unterganzners Vorfahr war Anno 09 Schützenhauptmann von Flaneid gewesen und hatte treu zum Sieger der jeweils letzten Bergiselschlacht gehalten. „Es geht um das heute, nicht um die Ahnen“, belehrte ihn Grüner und ging dann zum Wirt, um zu fragen, ob er die Ehre überhaupt annehmen würde. „Ich halte halt zum Putin, weil sonst bleibt die Küche kalt“, antwortete Unterganzner frei heraus, „wenn ihr das schlucken könnt, dann nehm ich’s.“ „Pscht“, bat Grüner um eine andere Lautstärke, „offiziell werden wir schon eine andere Begründung finden.“

„Lass den Coelestin fallen“, riet Klotz, „das vorhin haben alle gehört.“ Grüner sah es vorsichtshalber ein. Aber es blieb ihm die Idee, dass Querköpfe unter den Geehrten nicht schaden könnten. Nein, er würde nur Querköpfe ehren, damit hätte die Flaneider Ehrung ein Alleinstellungsmerkmal.

Eine Ehrung musste jedenfalls sein, dessen war er sich sicher. Denn dazu gehörte ein Podium. Dort würden die Geehrten kommen und gehen, er aber würde bleiben. Er setzte seine Rede auf. Das Übliche über Hofer? Freiheitswillen, Todesmut, Zusammenhalt? Damit kam man heute nicht mehr in die Zeitung. Wenn er Mut zeigen wollte, musste er sich über Hofer stellen, moralisch, er musste ihn richtig anbrunzen.

„Was kann uns Hofer heute noch sagen?“, schrieb er und strich es wieder durch. „Er war ein Impfgegner, ein sittenkonservativer Patriarch, einer von gestern!“ Das klang schon besser, aber Grüner wollte noch eins draufsetzen: „Das könnte man ihm alles noch durchgehen lassen … aber das Gesaufe!“

„Meinst du etwa mich?“, fragte der Ziggl-Franz böse, weil Grüner beim Schreiben selber halblaut mitgelesen hatte in seiner Begeisterung. „Nein, nein“, beschwichtigte Grüner.

„Wenn du das über den Hofer sagst, fühlen sich hier alle betroffen“, warnte Treffer. Grüner zerriss die Rede wieder. Und die Liste der Querköpfe sowie überhaupt den Gedanken an ein Gemeindeabzeichen. Flaneid blieb ehrlos.

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