„Reinhold Messner treibt ein innerer Vulkan“, sagt sein Seilpartner Oswald Oelz. Die ehrliche Einschätzung eines Freundes.
Flaneid
Antritt zum Dienst
Aus ff 37 vom Donnerstag, den 12. September 2024
Die Wehrpflicht war längst Geschichte. Aber gegen die Ausdünnung der Gemeindeämter musste der Bürgermeister auf ein altes Rezept zurückgreifen.
Hier ist es fad. Und draußen zahlen sie besser.“ Kreszenz, die 18-jährige Tochter von Rosa Rechenmacher, der leitenden Buchhalterin im Gemeindeamt, war nicht umzustimmen. Sie wollte nach der Matura nach München, studieren oder, notfalls, arbeiten. Hauptsache weg. Rechenmacher legte enttäuscht den Hörer auf, schaute den Bürgermeister an, der sie zu diesem Anruf gedrängt hatte, und schüttelte den Kopf.
Bürgermeister Daniel Grüner ließ sein Büro aus und wollte direkt ins Gasthaus Unterganzner, wo, wie immer, der Gemeindeausschuss tagte. Vor dem Ausgang hörte er eine aufgebrachte Stimme aus dem Meldeamt und ging nachschauen.
„Was heißt hier Personalmangel?“, protestierte Bauernobmann Emil Harasser, „mein Bub braucht den Zettel fürs Stipendium, und das sofort!“ Grüner war schon versucht, vermittelnd einzugreifen, ließ es dann aber bleiben, da er keine Wählerstimme riskieren wollte.
„Hat jemand eine Idee?“, fragte Grüner in die Runde. „Wir schieben die Schuld dem Land in die Schuhe“, schlug Kulturassessorin Klara Teutsch vor. Der Bürgermeister stimmte zu und winkte ab: „Das sowieso, aber wir brauchen auch eine Lösung.“
„Ich hätte da schon eine Idee, die auch nicht zu viel kostet“, meldete sich Olga Klotz, die regierende Vizebürgermeisterin, „aber das musst du dem Volk sagen. Nur du hast die nötige Autorität dazu.“ Die anderen wunderten sich, denn normalerweise zeigte sie dem Bürgermeister schon ihre Hosen. Also ging es um etwas Brandgefährliches, für das Grüner den Kopf hinhalten sollte.
„Alle Flaneider Familien mit Kindern zwischen 18 und 25 Jahren sind angehalten, innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Sohn oder eine Tochter für ein Praktikum in der Gemeindeverwaltung zur Verfügung zu stellen. Bei Zuwiderhandlung, auch einzelner Familien, wird niemandem mehr ein Dokument ausgestellt, kein Ausweis, kein Familienbogen, keine Lizenz, kein Trauschein. Und vor allem keine Baugenehmigung. Gezeichnet: Der Bürgermeister.“
Vor der Amtstafel fanden sich ein paar Bürger ein und lasen. Emil Harasser schüttelte als Erster den Kopf. Der Erlass würde die ganze Familienplanung eines geschlossenen Hofes durcheinanderbringen: Der Älteste bekam den Hof, der Zweite durfte studieren, die anderen kamen bei der Bauernkassa, beim Bauernbund oder bei einer nachgelagerten Organisation unter. „Die spinnen ja!“ Andere fühlten sich an die alte Wehrpflicht erinnert und raunzten dementsprechend.
„So redet man nicht über die Obrigkeit!“, mahnte Grüner von seinem Amtszimmerfenster herunter. „Obrigkeit?“, spottete Harasser, „komm he-runter, wenn du dich traust!“
Grüner traute sich nicht und machte stattdessen einen Rundgang durch die Ämter. Dort herrschte Aufbruchstimmung, wie er sie gerne sah. Rosa Rechenmacher freute sich auf ein, zwei Handelsschulabgänger, das Bauamt auf frische Geometer und Gemeindepolizist Ernst Putz da-rauf, endlich einmal jemanden unter sich zu haben.
Am Stichtag, an dem die Dienstpflichtigen sich zu melden hatten, schaute der Bürgermeister wieder aus dem Erkerfenster. Und sah allda: keine Schlange nicht!
Die Schlange stand auf der anderen Seite des Rathausplatzes, vor der Praxis von Gemeindearzt Kaspar Hertz. Diesen hatte es vor vielen Jahren aus Deutschland hierhergezogen, weil man hier nicht um Kunden kämpfen musste. Er hätte sich so einen Andrang nie erwartet, vor allem nicht von so vielen jungen und scheinbar gesunden Leuten.
Da blieb keine Zeit für genaue Untersuchungen, und er attestierte Schleudertrauma, Herzrhythmusstörungen, Rheuma, Verrenkungen des kleinen Fingers und was sonst noch alles gegen den Dienstantritt half. Irgendwie fühlte er sich an seine Militärzeit erinnert.
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