Leserbriefe

Systemschaden

Aus ff 49 vom Donnerstag, den 09. Dezember 2021

Leserbriefe
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Wie die Pandemie der Demokratie ihre Grenzen aufzeigt: Titelgeschichte in ff 47/21

Weltweit sehen wir in der Covid-Bekämpfung dieselben Schwierigkeiten. Ich würde für unser kleines Südtirol weniger auf politische Hilflosigkeit proklamieren als vielmehr auf eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Menschen, die sich außerhalb des Mainstreams gegen alle Maßnahmen wehren und sich „frei“ entscheiden, vorgegebene Regeln zu ignorieren. Bestärkt unter anderem durch Veröffentlichungen wie einem von Alexandra Aschbacher geführten Interview mit dem Innsbrucker Arzt Christian Schubert noch im September, in denen von der Angst um das Heil der Geimpften (sic!) unwidersprochen die Rede ist.

Hilflosigkeit verorte ich hier bei der ff – zu viel Rücksicht auf querdenkende Leser.

Andernfalls schreiben Sie doch bitte, Frau Chefredakteurin, einmal explizit, dass Impfen hilft – und unterstützen damit gezielt das gebeutelte Personal im Gesundheitswesen!

Dr. Michael Raffl, Meran

Unter Tränen erzählt eine junge Lehrerin von ihren Sorgen: Sie lässt sich regelmäßig testen, wäre auch täglich dazu bereit und hält alle Hygiene- und Sicherheitsvorschriften rigoros ein. Geimpft ist sie nicht. Zu groß ist die Angst. Die junge Frau achtet auf sich und ihre Mitmenschen und ist bisher gesund geblieben. Die Einladung, an einer „Ansteck“-Party teilzunehmen, hat sie ausgeschlagen. Es kann nicht sein, dass man das Risiko sucht und das Gesundheitssystem belastet. Trotzdem wird sie immer weiter an den Rand gedrängt. In einen Topf mit Leuten geworfen, die extreme Impfgegner oder ­Corona-Leugner sind. Das tut weh und gibt mir zu denken: Wohin führt dieser Weg der Schwarz-Weißmalerei und Schuldzuweisung?

Ich bin geimpft und für den Booster-Stich vorgemerkt, ich beachte die Maskenpflicht sowie die Abstands- und Hygieneregeln. Trotzdem ist es möglich, dass ich mich mit Corona infiziere und das Virus weitertrage. Wie effektiv der Impfschutz wäre, war ja auch schwierig abzuschätzen, die Impfstoffe wurden in Rekordzeit entwickelt und zugelassen. Ein Fakt, der bei vielen Menschen Ängste hervorruft.

Diese Ängste gilt es ernst zu nehmen, nicht alle Ungeimpften sind auch Impfgegner oder gar Corona-Leugner. Alle Ungeimpften in denselben Topf zu werfen und an den Pranger zu stellen ist kurzsichtig und einer Demokratie nicht würdig. Was ist mit jenen Menschen, die sich gewissenhaft an Hygiene- und Abstandsregeln halten und sich, da nicht geimpft, regelmäßig testen lassen, um arbeiten zu dürfen? Warum haben so viele Menschen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich Vorbehalte? Macht es Sinn, dass Menschen, die während der ersten Lockdowns ungeimpft in den Krankenhäusern und Pflegeheimen gewissenhaft Dienst geleistet haben, nun suspendiert werden? Mit regelmäßigen Testungen und strengen Sicherheits- und Hygienekonzepten haben sie dazu beigetragen, die ersten Wellen zu bewältigen. Warum bietet man ihnen nicht weiterhin diese Möglichkeit? Die rigorose Impfpflicht drängt viele dieser Menschen ins Abseits, obwohl sie bereit sind, ihren Beitrag zu leisten. Die harten Maßnahmen haben die vierte Welle nicht verhindert, aber den Notstand bei Pflege und in der Sanität deutlich verschärft. Demnächst wird sich wohl auch die Situation an den Schulen verschärfen.

Wäre es nicht an der Zeit, andere Herangehensweisen in Betracht zu ziehen? Warum wird nicht der Dialog mit jenen Menschen, die (noch) Vorbehalte gegen die Impfung haben, gesucht? Können wir es uns als Gesellschaft leisten, sie in die Ecke der extremen Impfgegner und Corona-Leugner zu drängen? Was wird aus einer Demokratie, wenn Andersdenkende ausgegrenzt werden?

Maria Luise Muther, Laas

„Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“ – diesen bekannten Satz müsste man heutzutage und hierzulande fast umschreiben in: „Stell dir vor, es ist Krieg (gegen einen unsichtbaren, primitiv ausgerüsteten aber brandgefährlichen Feind) und ein Teil geht nicht hin (in die Impfstation), macht nicht mit (bei den Verhaltensregeln) oder glaubt sogar, dass gar kein Krieg ist.“ Wohin kann uns das führen? In einer Weiterführung des genannten Satzes heißt es: „Wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage“. Möge uns eine solche erspart bleiben!

Jan Matia Prinoth, Bozen / St.Ulrich

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