Leserbriefe

„Sag Nein“

 

Militärische Aufrüstung hat noch nie zu ­Frieden geführt. Wir sollten schleunigst Alternativen suchen

Im Feuilleton des deutschen Magazins Die Zeit wurde vor ein paar Wochen das Interview mit der kanadischen Militärhistorikerin Margaret MacMillan abgedruckt, in dem sie folgende Aussagen zum Krieg und zu seiner angeblichen historischen Unausweichlichkeit macht: „Einerseits wollen wir, dass Soldaten darauf vorbereitet sind, gegen ihre Instinkte in den Krieg zu ziehen und gegebenenfalls zu töten, andererseits, dass sie sich stets im Griff haben. Insofern muss ich leider sagen, dass Zivilisten zu Opfern werden. Es ist nie ganz zu verhindern.“ Und weiter: „Soldaten müssen lernen, (...) ihre Instinkte zu unterdrücken und organisiert Gewalt ausüben zu können.“

Was noch vor zehn Jahren unaussprechlich war, ist für die 1943 in einer Offiziersfamilie geborene Historikerin also logische Notwendigkeit, und dies obwohl sie im selben Interview zugibt, dass unsere Kriege heute besser organisiert seien und dass wir technologisch andere Mittel hätten als früher. Wenn sie Parallelen zu den Helden des Trojanischen Krieges zieht, idealisiert sie deren Kampf, leugnet aber gleichzeitig das Zerstörungspotenzial von Streubomben, Drohnenangriffen und Atomsprengköpfen.

So wie MacMillan sind im Augenblick viele Meinungsmacher und Entscheidungsträger überzeugt, dass wir auf einen größeren Krieg zusteuern und wir daher einer massiven Aufrüstung von konventionellen Waffen zustimmen müssen. Die Auftragslage für die Waffenindustrie ist so gut wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte.

Aus dem „Nie wieder Krieg!“ der Generation meiner Eltern und Großeltern wurde ein: „Wenn es ein muss!“ Wer wie MacMillan an die unabwendbare Folge von Krieg und Frieden in der Geschichte glaubt, erinnert mich an eine gigantische KI, die aus dem, was es schon immer gab, die Vorstellung zieht, dass es das immer geben wird, frei nach dem Motto: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.

Dabei gibt es genug Gewährsleute, Teilnehmer und Opfer des Krieges, deren Worte eine viel größere Überzeugungskraft hätten, wenn, ja wenn sie nur den Weg zu den Menschen fänden.

Einer von ihnen ist Erich Maria Remarque, der als Reaktion auf seinen äußerst erfolgreichen Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“ meinte: „Ich dachte, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“

Wolfgang Borchert, der den Zweiten Weltkrieg nur kurz überlebte, beschwört uns hingegen in seinem Text „Dann gibt es nur eins“: „Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins: Sag NEIN! (...) Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR nicht nein sagt, Mütter, dann: (...) wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und unter wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den unübersehbaren Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen betonklotzigen verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig, lästernd, klagend – und seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen.“

Militärische Aufrüstung hat noch nie zu dauerhaftem Frieden geführt. Wir sollten also schleunigst eine Alternative dazu suchen!

Barbara Fuchs, Brixen

Leserkommentare

Kommentieren

Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.