Außensicht

Benko-Prozesse: Tricks in luftiger Höhe

Aus ff 43 vom Donnerstag, den 23. Oktober 2025

In den 1920er-Jahren führten zwei New Yorker Architekten einen erbitterten Kampf, es ging um den Titel des höchsten Gebäudes der Welt: Der eine baute den Bank-of-Manhattan-Turm und setzte dafür auf ein 3.000 m² riesiges Grundstück. Der andere baute das Chrysler-Building – und setzte auf einen Schwindel. Mitten in der Nacht ließ er seinem Werk eine 38 Meter hohe Edelstahlspitze montieren und schaute zu, wie die Konkurrenz schäumte: Das ist doch Trickserei! Das darf doch nicht gelten!
Es war Trickserei und es galt trotzdem, elf Monate lang war das Chrysler dank Geheim-Antenne offiziell das höchste Haus der Welt. War es Schicksal, dass 90 Jahre später ein ähnlich findiger Magier übernehmen sollte? René Benko, angeblich „einer der reichsten Männer Österreichs“, sicherte sich 2019 Haus und Namen, er hatte es nach ganz oben geschafft, vom Bordstein zur Skyline. Aber auch sein Trick war nur von kurzer Dauer, das konnte man Mitte Oktober sehen, beim ersten von vielen Prozessen, die Benkos weltumspannendes Imperium schrumpfen lassen auf eine Kuriositätensammlung. Statt von „Deals“ ist jetzt von heimlichen Geschenken an Mama die Rede, statt von „Prime-Lagen“ spricht man über versteckte „Notgroschen“ am Dachboden.
Man kann diese Entwicklung als persönlichen Abstieg lesen. Eben noch kratzte Benkos Lebenswerk buchstäblich an den Wolken, jetzt löst es sich in Manschettenknöpfen- und Klodeckel-Versteigerungen auf. Auf die fetten Jahre folgen eben die mageren, von der Skyline zum Bordstein zurück. Besser wäre es aber, man sähe das peinliche Ende als Warnung.
„Ich habe überhaupt kein Interesse zu erfahren, woher sein Geld stammt“, sagte Bozens Bürgermeister Luigi Spagnolli, als er noch auf den großen Benko-Trick hoffte. Wird man beim nächsten Mal, wenn Magier kommen und Städte zersägen, wieder so blauäugig sein? Weiß der nächste Politiker, dass man Manschettenknöpfe leichter restituieren kann als Großstadtruinen? Benko ist nicht mehr „einer der Reichsten“ und das Chrysler Building nicht mehr „eines der höchsten“ – aber den Manhattan-Bank-Turm gibt es noch: Es gehört einem Zauberer namens Donald Trump.

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg

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