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Außensicht
Kinderbetreeung: Schnappatmung im September
Aus ff 36 vom Donnerstag, den 04. September 2025
Man hört es überall im Land: dieses kollektive Aufatmen, fast wie ein warmer Föhnstoß. Ferien vorbei, Schule und Kindergarten wieder offen, die Eltern und ihre Kinder habens geschafft. Zwölf Wochen Ausnahmezustand, überstanden mit Ach, Krach und Omas.
Überall sieht man die Spuren: Großeltern, die heroisch eingesprungen sind. Konten, die im roten Bereich glühen, weil jeder ergatterte Sommerkurs bezahlt werden musste, solange nur jemand auf die Kinder schaut. Mädchen aus der Nachbarschaft, die eigentlich selbst noch Sandburgen bauen wollen, jetzt aber Babysitter spielen. Und die ganz Privilegierten, die noch ein paar Tropfen Elternzeit übrig hatten, damit das Wasser nicht endgültig über die Nasenspitze steigt.
Und während die alle erleichtert durchatmen, merke ich, wie mir langsam die Luft wegbleibt. Noch habe ich ein Kleinkind, das im Sommer gut betreut ist. Noch ist meine Welt heil. Noch brauche ich keine Betreuungs-Excel, keine Familien-Konferenzen, keine Ferien-Notfallpläne. Aber die Schatten reichen schon jetzt bis an unseren Küchentisch.
Wir führen längst diese giftigen Gespräche: Reicht der Urlaub? (Natürlich nicht.) Soll Papa mehr übernehmen? (Statistik und Einkommensschere sprechen dagegen.) Soll Mama ihre Teilzeit noch mal halbieren? (Willkommen im unbezahlten Ehrenamt.) Springen die Großeltern ein? Oder sind sie nach dem x-ten Enkel auch einfach stuff? Und will man sein Kind wirklich zwölf Wochen lang von A nach B schleppen, als wäre es ein Amazon-Paket auf Expresszustellung?
Schon jetzt ist klar: Das wird nicht einfach. Familien-Management-Deluxe, das eigentlich niemand bestellt hat.
Und so atmen die Eltern um mich herum tief durch, während ich daneben stehe und langsam Schnappatmung bekomme. Noch ein Sommer, dann sind auch wir dran. Dann heißt es nicht mehr: „Was wäre wenn?“ Sondern: „Was, verdammt, machen wir jetzt?“
von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin und Journalistin
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