ff 39/25 über Franz Pfattner und sein Tagebuch aus der Zeit der Pandemie: die „Corona-Geschichten“ in der ff
Außensicht
Äpfel stehlen: Kavaliersklau
Ist ja nur ein Apfel.“ Genau mit solchen Sätzen entschuldigen Erwachsene Dinge, für die man Kindern normalerweise eine ordentliche Standpauke halten würde.
Sonntag. Die Sonne huscht kurz zwischen dunklen Wolken hindurch, als wollte sie nur neugierig nachsehen. Die Äste der Apfelbäume hängen schwer und tief. Die roten, prallen Äpfel, dick wie Tennisbälle, schreien förmlich danach, dass man hineinbeißt und sich den Saft über das Kinn laufen lässt.
Zwischen den Reihen stehen die großen Kisten bereit, die Bauern wetzen schon ihr Ernte-Werkzeug und rücken in Gedanken die Leitern zurecht. Plötzlich huscht jemand ins Gebüsch, zack-zack-zack – schon sind drei Äpfel in der Tasche verschwunden. Und weiter geht’s, so, als wäre überhaupt nichts passiert. Nur das breite Grinsen verrät die Vorfreude auf die saftige Beute.
Romantisch oder ein kleiner Kick? Vielleicht. Bis man kurz nachrechnet.
Denn wenn’s einer macht, ist’s witzig. Wenn’s zwei machen, ein Kavaliersdelikt. Aber wenn’s zwanzig machen, sind die Bäume leer, und der Bauer schaut durch die Finger. Das ist, als würde Ihnen jemand drei Euro vom Gehaltszettel klauen. Ach, merken Sie nicht? Warten Sie, bis es der halbe Betrieb tut. Dann lachen Sie garantiert nicht mehr.
Wer einen Apfel klaut, klaut nicht Obst, er klaut Respekt. Wer das nicht merkt, darf ruhig weitergrinsen. Aber aus lauter „nur ein Apfel“ wird schnell ein Muster. Und am Ende fehlen den Bauersleuten die Euros.
Und dann ist der Apfel plötzlich gar nicht mehr saftig süß, sondern einfach nur sauer.
von Karin Köhl | Nachrichtenredakteurin und Journalistin
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