Außensicht

Künstliche Intelligenz: Gescheiter scheitern

Angenommen, Sie hätten in den vergangenen Jahren das Vertrauen in die Südtiroler Landesregierung verloren: Wie könnte es wohl wieder aufgebaut werden? Stefan Gasslitter, Chef der Südtiroler Informatik AG, hat da eine Idee: durch ein „KI-gestütztes Bürgerportal“, auf dem man einem Avatar seine Anliegen beichten kann. „Wenn Sie zum Beispiel ein Kind mit einer Lernbehinderung haben“, werde „Emma“ bald den Weg zur Unterstützung weisen. Und wenn Sie ein Bauer mit Förderbedarf sind, „wird die Antwort bereitstehen, noch bevor Sie danach fragen“. Stellen Sie sich eine Art weiblichen Digi-Durnwalder vor, der auch nach sechs Uhr morgens noch Parteienverkehr hat.
Das neue System soll im März starten, verkündete Gasslitter kürzlich in einem Interview mit, hoppla, Microsoft. Noch bevor das Land seine „KI-Strategie“ vorstellen durfte, war sie nämlich schon eingebunden in die PR des weltgrößten Software-Konzerns – und macht dort, was sie am besten kann: Versprechungen. Künstliche Intelligenz soll Parkplatznot und Bürokratismus lösen und Overtourism, indem sie Reisende von Prags nach Spiluck umleitet. Bisher gebaut wurden freilich vor allem Tourismus-Chatbots wie „Giggo“ oder „Isabel“, die noch mehr Besucher anlocken.
Aber naja, die Technologie ist jung, und wenn alle ­„Stakeholder synchron gehen“ (Gasslitter), wird sie bestimmt besser werden. Sie wird Borkenkäfer und Krebs­zellen aufspüren und noch 30 Jahre lang Hits für Norbert Rier schreiben. Wer allerdings schon einmal mit einer KI über ein plötzlich storniertes Hotelzimmer diskutieren musste, weiß, was sie sicher nicht kann: irgendetwas „nahbarer“ machen. Auch weil die Tech-Propheten keinen Ersatz bieten für politisches Versagen: Leiden Eltern behinderter Kinder wirklich an Wissens- oder eher an Geld-Mangel? Sind wirklich fehlende Lebenslauf-KIs schuld an Postenschacher oder doch eher die SVP? Im September verkündete die albanische Regierung, dass sich dort künftig eine virtuelle „KI-Ministerin“ um öffentliche Aufträge kümmern wird, so werde das Land „100 Prozent korruptionsfrei“.
Sie trauen dieser Botschaft nicht? Liegt bestimmt nur am fehlenden Bürgerportal.

von Anton Rainer | Stellvertretender Leiter des Ressorts Kultur beim Spiegel in Hamburg

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